AUSFLUG
Bel Etage und Bauernromantik In Calw waren die Wege vom Handwerk in die Bel Etage kurz – zumindest die Lauf- wege. Ein paar hundert Meter flussaufwärts finden wir zum Palais Vischer. Seine stuck- verzierten Decken, mächtigen Kronleuch- ter und Brokat bespannten Möbel brachten einen Hauch Versailles nach Calw – und das just zu Beginn der Französische Revo- lution. Heute ist das Städtische Museum darin untergebracht, auch Ausstellungs- stücke des Hermann-Hesse-Museums, das erst Mitte 2023 wieder öffnen soll. Neben Weltliteratur umfasst dessen Werk gut 30.000 Briefe und 3.000 Aquarelle. Nach all der Pracht liebäugeln wir mit einem Blick in bäuerliche Stuben – auf Webstuhl, Schnapsbrennerei und Viehstall. Das Bauernhausmuseum entfällt für dieses Mal. Wir besuchen stattdessen das Kloster Hirsau im gleichnamigen Stadtteil drei Kilometer nördlich der heutigen Kernstadt. Vom kahlen Berg zum Lindenberg Um Calws Historie zu verstehen, sollte man es besuchen. Es begann alles 830 n. Chr. mit dem ersten Aurelius-Kloster. Aus dessen Stiftersippe wurden die späteren Grafen von Calw, die im Hochmittelalter großen Einfluss im Südwesten hatten. 1075 grün- deten sie das Kloster Hirsau, errichteten südlich davon eine Burg mit Siedlung für
Handwerker auf einem kahlen Berg. Der Begriff bedeutet altdeutsch „chalawa“. Er gab Calw seinen Namen, lernen wir bei einer Schwarzwälder Kirschtorte im ehemaligen Wagenhaus des Klosters, das heute ein Café ist. Wir löffeln die süße Sünde ohne Reue, bevor wir die Kloster- ruine erkunden, in der im Sommer Konzerte mit regionalen Größen oder internationalen Künstlern als „Calwer Klostersommer“ stattfinden. Um junge Texter und Musiker zu fördern, hat der bekennende Hesse-Fan Udo Lindenberg in Calw sogar eine Stiftung gegründet. Calws Kulturgeschichte ist noch lange nicht auserzählt. Und wir hören gerne wieder zu – nächstes Mal.
Der Malefizturm ist der einzige erhaltene Turm der alten Stadtbefestigung, der früher auch als Gefängnis diente.
Auch die mittelalterlichen Häuser- zeilen entlang der Nagold werden vom Fachwerk bestimmt.
Das klassizistische Palais Vischer beherbergt das Heimatmuseum der Stadt Calw. Einige Innenräume sind in ihrem ursprünglichen Zustand erhalten.
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