REVOLUTION, KEINE WAHLEN NACH DER UNTERZEICHNUNG des Waffenstillstands durch Deutschland rief die Übergangsregierung zu Wahlen zum Parlament der neuen deutschen Republik auf, die am 19. Januar 1919 stattfinden sollten. Rosa Luxemburg glaubte jedoch nicht an diesen Prozess: „Die Natio- nalversammlung ist ein überlebtes Erbstück bürgerlicher Revolutionen, eine Hülse ohne Inhalt, ein Requisit aus den Zeiten kleinbürgerlicher Illusionen vom ‚einigen Volk‘, von der ‚Freiheit, Gleichheit und Brüder- lichkeit‘ des bürgerlichen Staates.“ Die Spartakisten lehnten es ab, an den Wahlen teilzunehmen, und begannen mit revolutionären Ak- tivitäten, um eine „proletarische Demokratie“ zu errichten. SOLDATEN und Arbeiter in Berlin in einem Fahrzeug mit Maschinen- gewehren und der Roten Fahne.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs 1914 markierte einen entscheidenden Wendepunkt in Luxemburgs Leben. Während die Mehrheit der SPD-Frak- tion im Reichstag den Kriegskrediten zustimmte und Kaiser Wilhelm II. Lo- yalität versprach, setzte sie ihren Kampf gegen Militarismus und Nationalismus fort. Als führende Vertreterin der Anti- kriegsopposition in der SPD rief sie zum Widerstand auf und war Mitbegründerin der „Gruppe Internationale“, aus der 1916 der Spartakusbund hervorging. Wegen ihrer unermüdlichen Agitation wurde sie mehrfach verhaftet und verbrachte einen Großteil des Krieges in preußi- schen Gefängnissen. Nach der deutschen Niederlage im November 1918 glaubten viele revolutio- näre Sozialisten, dass eine sozialistische Umwälzung auch in Deutschland mög- lich sei – ähnlich wie die Bolschewiki es 1917 in Russland vollbracht hatten.
Ende Dezember 1918 gründeten Luxem- burg, Karl Liebknecht und andere radi- kale Linke die Kommunistische Partei Deutschlands (KPD). Sie mobilisierten die Arbeiterschaft gegen die neue Regie- rung, die nach der Abdankung des Kai- sers von gemäßigten Sozialdemokraten unter Friedrich Ebert geführt wurde. Gescheiterte Revolution Im Januar 1919 kam es in Berlin zum Januaraufstand, der vor allem von re- volutionären Arbeitergruppen ausging. Luxemburg und der Spartakusbund un- terstützten die Bewegung, obwohl sie selbst eine Erhebung für verfrüht hielt. Die sozialdemokratische Regierung ließ den Aufstand mithilfe der Frei- korps, paramilitärischer Verbände aus nationalistischen Kriegsveteranen, brutal niederschlagen. Die blutige Repression forderte Hunderte Tote, darunter viele unbewaffnete Demonstranten.
Am 15. Januar 1919 wurden Luxem- burg und Liebknecht von Freikorps-Sol- daten verhaftet und ins Hotel Eden ge- bracht, das Hauptquartier einer Division der Freikorps. Waldemar Pabst, der dort das Kommando führte, ließ sie beide er- schießen – mit Billigung der Reichsre- gierung. Luxemburgs Leichnam wurde in den Landwehrkanal geworfen, wo er erst Monate später gefunden wurde. Keiner der Mörder wurde jemals ernst- haft zur Rechenschaft gezogen.
ISABEL HERNÁNDEZ UNIVERSITÄT COMPLUTENSE MADRID
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BÜCHER Rosa Luxemburg: Ein Leben Ernst Piper, Pantheon 2021 Die deutsche Revolution Sebastian Haffner, Rowohlt 2018
POLITIKGESCHICHTE 25
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