1792 kam. In diesem Jahr war Beethoven nach Wien gezogen, wo er bis zu seinem Tod im Jahr 1827 lebte. Dort verfolgte der Komponist mit Interesse die Nachrichten über die Feld- züge des Generals Bonaparte, zunächst in Italien (1796–1797) und dann in Ägypten und Palästina (1798–1799). Napoleon, der zum ersten Konsul der Franzö- sischen Republik ernannt wurde, fügte der öster- reichischen Armee in der Schlacht von Marengo (bei Turin) im Jahr 1800 eine entscheidende Niederlage zu. Beethoven sah in ihm den Ver- fechter der Ideale der Revolution und denjeni- gen, der diese Ideale mit seiner Armee außerhalb Frankreichs verbreitete. Er erkannte, wie Napo- leon die alte Ordnung, die durch den Absolutis- mus verkörpert wurde, ihre hierarchische Sicht der Gesellschaft, ihre archaischen Werte und ihre
Ungerechtigkeiten demontierte. Eine große Enttäuschung
Beethoven war fasziniert von den großen his- torischen und mythischen Figuren, von heroi- schen Persönlichkeiten, die sich ihrem eigenen Schicksal stellen, um einer höheren und trans- zendenten Mission zu folgen. Dies hatte er 1801 mit der Komposition des Balletts „Die Geschöpfe des Prometheus“ gezeigt, in dem der Titan das göttliche Dekret von Jupiter herausfordert, den Menschen das Feuer schenkt und dafür eine schreckliche Strafe erleidet. Beethoven ver- wendete Material aus diesem Ballett für seine 3. Sinfonie, was darauf schließen lässt, dass er in Napoleon einen zeitgenössischen Prometheus sah. Einen Titanen, der in der Lage war, die bestehende Ordnung – das Europa des Ancien Régime – herauszufordern, um seinen Zeitge- nossen das Feuer der neuen Zivilisation zu über- bringen, verkörpert durch die Werte der Aufklä- rung und der Revolution. Doch 1804 erlitt Beethovens Bewunderung für Napoleon einen herben Rückschlag. Als der Komponist erfuhr, dass Bonaparte sich selbst zum Kaiser ernannt hatte und damit die Ideale der Republik verriet, sich de facto das Verhalten seiner Gegner zu eigen machte, war seine Ent- täuschung groß. Bonaparte hatte seine Maske abgelegt und sich als gewöhnlicher Despot entpuppt, dessen einziges Motiv die Macht- gier war. Die Sinfonie verwandelte sich in
Literaten und sympathisierte mit einem Modell der aufgeklärten Souveränität, das dem seines Bruders, des Kaisers, ähnelte: Der Kosmos ge- horcht rationalen Gesetzen, und das Leben ist ein Weg, dessen unvermeidliche Hindernisse trotz allem im Glück des Einzelnen gipfeln. So präg- te sich dem jungen Ludwig das Gedicht „An die Freude“ von Schiller ein, das er in der „Ode an die Freude“ seiner 9. Sinfonie mit dem be- rühmten Chor verwenden würde, der singt:
KONTAKTE ZUR ARISTOKRATIE Beethoven unterhielt gute Beziehungen zum Adel. Oben: Das Palais des Fürsten Lobkowitz, in dem er seine 3. Sinfonie in einer Privatvorstellung uraufführte. Unten: Eine Stimmgabel des Komponisten. Britische National- bibliothek, London.
„Freude, schöner Götterfunken,/ Tochter aus Elysium [...]. Alle Men- schen werden Brüder,/wo dein sanfter Flügel weilt.“
Es ist daher nicht verwun- derlich, dass Beethoven die Nachrichten, die ab 1789 aus Frankreich eintrafen, mit Freude aufnahm, als es zum Volksaufstand gegen Ludwig XVI., zum an- schließenden Sturz der Monarchie und zur Grün- dung der Republik im Jahr
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