NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY

Silberner Trinkbecher, genannt Rhyton, in Form eines Greifen. British Museum, London. Sil ge ein M

W ie wichtig und prächtig Persepolis einst war, lässt sich gut an dieser Inschrift nachvollziehen: „Auf dieser Terrasse, da, wo dieser Pa- last gebaut wurde, da war vorher kein Palast. Dank Ahura Mazda habe ich diesen Palast ge- baut; und Ahura Mazda hat auch gewollt, zu- sammen mit allen Göttern, dass dieser Pa- last gebaut werden soll; und ich, ich habe ihn gebaut; deshalb ist er stark, wunderbar und exakt gebaut worden, so wie ich es befohlen ha- be.“ Diese Worte ließ der persische Großkönig Darius I. in die Südmauer der Terrasse seines Palastes in Persepolis eingravieren – der letz- ten der vier Residenzstädte des riesigen Achä- menidenreichs. Gegründet zwischen 520 und 518 v. Chr. im zentralen Hochland des heutigen Iran am Fuße des Kuh-e Mehr, des „Berges der Barmherzigkeit“, war Persepolis eines der größ- ten städtebaulichen und architektonischen Pro- jekte der Antike. Dabei ist die Geschichte der Re- sidenzstadt ebenso ruhmreich wie kurz. Darius oder auch Dareios – sein Name bedeu- tete übrigens „das Gute aufrechterhaltend“ – erlebte die Fertigstellung seines grandiosen Bauwerks nicht mehr. Seine Nachfolger, ins- besondere Xerxes I. und Artaxerxes I., fügten Details hinzu, veränderten und vollendeten es. Im Jahr 330 v. Chr. wurde Persepolis jedoch von der Armee Alexanders des Großen geplün- dert und in Brand gesteckt. Die Ruinen die- ser einst prächtigen Stadt, die seit 1979 Teil des UNESCO-Weltkulturerbes sind, kann man heute noch in der Provinz Fars im Süden Irans bewundern, etwa 60 Kilometer von der Groß- stadt Schiras entfernt. Die Akropolis von Persepolis hatte eine Flä- che von 13,5 Hektar. Sie war schon von Weitem zu sehen, thronte sie doch auf einer künstli- chen Plattform, die 450 Meter breit, 300 Meter tief und 12 Meter hoch war, über der Ebene von Marvdasht. Die Plattform war auf drei Seiten von mächtigen, bis zu 18 Meter hohen Mauern einge- fasst. Im Inneren befanden sich die königlichen Paläste, Audienzsäle, das sogenannte Schatz- haus für die Verwalter und den Hofstaat – sowie ein Gebäude namens „Harem“, wo vermutlich die Frauen des Königs, seine Konkubinen und la Da ba sa la ge

CHRONOLOGIE ZENTRUM DER MACHT

486–465 V. CHR. Xerxes I. vergrößert die Stadt und er- baut das mit Zeich- nungen verzierte Tor aller Länder. 465–424 V. CHR. Artaxerxes I. voll- endet den Hundert- Säulen-Saal und baut einen weiteren Palast. 358–338 V. CHR. Artaxerxes III. er- neuert Persepolis und stellt die königliche Zentral- gewalt wieder her. 330 V. CHR. Alexander der Große plündert die Residenzstadt und steckt sie in Brand. 520–518 V. CHR. Dareios I. errich- tet eine neue Residenzstadt für das Persische Reich: Persepolis.

weibliche Verwandte lebten. Am Fuße der Plattform lagen wohl die Wohnbereiche für Beamte, Soldaten, Handwerker und Bediens- tete des Hofes. Bis zu 40000 Menschen sollen auf der Ebene in Lehmhäusern gelebt haben. Die Rückseite schützte ein etwa zwei Kilometer langer Mauerring. Darius plante Persepolis als Symbol seiner Macht und Zentrum des gigantischen Achä- menidenreichs, das von Indien bis nach Klein- asien reichte. Regelmäßig mussten die Könige, Gouverneure und Würdenträger aus unterwor- fenen Provinzen wie Ägypten, Babylonien und Baktrien dem Großkönig in seiner Residenz ihre Aufwartung machen – etwa beim Neujahrsfest Nowruz (oder Nouruz), das dort jährlich zur Tag- und-Nacht-Gleiche groß gefeiert wurde. Die Vertreter der unterworfenen Völker betra- ten Persepolis über die monumentale Freitreppe. 111 Stufen stiegen sie nach oben, ehe sie durch das Tor aller Länder (1) schritten – flankiert von

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