NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY

ALEXANDERPALAST Der kleine Palast in Zarskoje Selo, 25 Kilometer südlich der Hauptstadt St. Petersburg gelegen, wurde für Zarin Alexandra zum Zufluchtsort.

Dort versuchte sie, die Krankheit ihres Sohnes geheim zu halten. HARALD SUND / GETTY IMAGES

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DER MÄCHTIGE MANN HINTER DEM ZAREN „Ich habe ihn entthront“ – die Karikatur aus dem Jahr 1917 spielt auf den negativen Einfluss Rasputins auf den Ruf des Herrschers an, der am 15. März 1917

Geburt wich schnell einem schlimmen Verdacht: Zwei Tage lang blutete der Nabel des Babys: das erste Symptom der Hämophilie oder Bluterkrank- heit, einer von Frauen übertragenen Erbkrank- heit. Alexandra war eine Enkelin der englischen Königin Victoria, einer Trägerin des Gendefekts. Er führt vor allem bei männlichen Nachkommen zur Erkrankung; die damalige Lebenserwartung eines Betroffenen betrug etwa 14 Jahre. Ein verzweifeltes Paar Um den Zustand ihres Sohnes geheim zu halten, verließ die Zarenfamilie St. Petersburg und zog sich in den Alexanderpalast im nahe ge- legenen Zarskoje Selo zurück. So wollte man verhindern, dass die Krankheit des kleinen Alexei bekannt wurde und sein Status als Thronfolger in Zwei- fel gezogen werden konnte. Doch war dies nicht die einzige Sorge, die das Zarenpaar bedrückte. Im August 1905 verlor Russland den Krieg gegen Japan – ein Schock für die russische Gesellschaft, die bereits im Januar während des sogenann- ten Blutsonntags Zeuge der brutalen

Unterdrückung Tausender Arbeiter geworden war, die friedlich ihre Petitionen an den Zaren gerichtet hatten. Die militärische Niederlage machte den Reformbedarf des russischen Staats überdeutlich; die Gewaltaktionen gegen seine Untertanen entzogen dem Zaren die Aura des Batjuschka, des strengen, aber gerechten „Väter- chens Zar“. Unter Druck stimmte Nikolaus einer Verfassung und einer Duma zu, einem Parlament mit geringen Befugnissen. Doch nie erklärte er sich mit dem Status eines konstitutionellen Mo- narchen einverstanden, was in seinen Augen sei- ne Autorität als absoluter Herrscher von Gottes Gnaden untergraben hätte. Alexandra, die auch um die Rechte ihres Sohnes auf den Zarenthron fürchtete, bestärkte ihren Mann. In Zarskoje Selo fühlte sich die Zarin endlich befreit vom politischen Druck sowie der Ableh- nung durch einen Hof, der sie als kalt und distan- ziert verurteilte – Alexandra sprach kein Russisch und kommunizierte selbst mit ihrem Mann auf Englisch. Die Montenegrinerinnen Militza und Anastasia leisteten ihr in der selbst gewählten Isolation Gesellschaft. Bereits 1901 hatten sie das Zarenpaar in Kontakt mit dem französischen Mystiker, Okkultisten und „Astralmediziner“

abdankte. AKG / ALBUM

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