LIWADIJA-PALAST auf der Halbinsel Krim: Das 1911 vollen- dete Schloss war die Sommerresidenz der kaiserlichen Familie.
verstrickt, und Gott sendet uns Gnade und jagt unseren Feinden mit ehrfurchtgebietenden Dro- hungen Schrecken ein.“ Der Brief ist aufschluss- reich: Offenbar scheut sich Rasputin von Anfang an nicht, dem Zaren gegenüber politische Fragen anzusprechen. Seine Verbindung zu den Monarchen inten- sivierte sich, als der dreijährige Zarewitsch 1907 stürzte und in der Folge unter inneren Blutungen litt. Die Ärzte waren machtlos. Rasputin wurde gegen Mitternacht ans Krankenbett des Jungen gerufen und sprach Gebete – am folgenden Mor- gen war Alexei geheilt. Ein Wunder? Die Bezie- hung zwischen Rasputin und den Herrschern wurde in der Folge immer enger, gleichzeitig fühlten sich die beiden montenegrinischen Groß- fürstinnen dadurch zurückgesetzt. Sie waren da- rüber so verärgert, dass sie Rasputin als „Teufel“ bezeichneten. So wuchs die Distanz zu Alexand- ra, die jedoch in der Hofdame Anna Wyrubowa bereits eine neue Freundin gefunden hatte, die gleichfalls zu einer glühenden Verehrerin Ras- putins wurde. So wuchsen der sibirische Heiler, die bedrängte Zarin und ihre Freundin zu einem verschworenen Trio zusammen. Dies sollte sich als verhängnisvoll erweisen – für Rasputin selbst wie auch für die Dynastie der Romanows. Eine unzerstörbare Beziehung Die Hinweise auf ein sexuell exzessives Verhalten Rasputins, das um 1911 bereits die gesamte Haupt- stadt in Aufruhr versetzte, tat das Zarenpaar als Verleumdung ab. Dabei waren Rasputins Vorliebe für Alkohol, seine sexuellen Abenteuer und zwei- deutigen Beziehungen mit Damen der Gesellschaft öffentlicher Gesprächsstoff. Ende 1911 eskalierte die Situation. Alexandra hatte Rasputin immer mehr Einfluss gewährt, selbst bei der Besetzung hoher kirchlicher Ämter. Dem fiel unter anderem Iliodor zum Opfer, der einstige Fürsprecher Ras- putins: Ihm wurde das Amt des Bischofs verwehrt. Iliodor brachte daraufhin Briefe in Umlauf, die die Zarin an Rasputin geschickt hatte – und die er wohl Rasputin gestohlen hatte. Darin standen zweideutige Sätze: „Ich wünsche mir nur eines: Jahrhunderte lang an deiner Schulter zu schlafen, während du mich umarmst.“ Es waren die Worte einer verzweifelten Frau. Von einer ihr feindselig gesonnenen Öffentlichkeit wurden sie sexuell interpretiert. Die Krone war diskreditiert; selbst Monarchisten sahen in Rasputin eine Gefahr. Er musste aus St. Petersburg verschwinden. Im Oktober 1912 kam eine erneute Wende. Der Zarewitsch war bei einem Jagdausflug gestürzt,
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Nizier Anthelme Philippe gebracht. Ehe der obskure Heiler das Land im Sommer 1903 auf Druck des Staatssicherheitsdienstes verlassen musste, hatte er der Zarin die Geburt des Sohns und Thronfolgers versprochen. Vor seiner Abreise soll er Alexandra zudem prophezeit haben: „Eines Tages wirst du einen anderen Freund wie mich haben, der dir von Gott erzählen wird.“ Am 1. November 1905 stellten die Großfürstin- nen Militza und Anastasia Rasputin dem Zaren vor. War der verheißene „andere Freund“ ge- kommen? Rasputin machte zumindest großen Eindruck auf Alexandra und Nikolaus. Der Zar vermerkte die Begegnung mit einem Satz in sei- nem Tagebuch: „Lernten einen Mann Gottes ken- nen – Grigori aus dem Gouvernement Tobolsk.“ Wenige Tage später, am 5. November, schrieb Rasputin seinen ersten Brief an Nikolaus: „Gro- ßer Kaiser, Zar und Herrscher ganz Russlands! Grüße! Möge Gott Ihnen weisen Ratschlag geben. Wenn ein Rat von Gott kommt, freut sich die Seele, unsere Freude ist ehrlich, doch wenn der Rat steif und formell ist, wird die Seele bedrückt, und unser Kopf ist verwirrt. Ganz Russland sorgt sich, das Land ist in eine schreckliche Auseinandersetzung
ZAREN-SYMBOLIK Doppelköpfiger
Adler mit drei Kronen, Emblem der Romanows, auf einem von Fabergé gefertigten Wappen
Nikolaus’ II. BRIDGEMAN / ACI
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