NATIONAL GEOGRAPHIC HISTORY

TROBAIRITZ: DICHTERIN DER LIEBE

AUCH EINIGE Frauen bewegten sich in der Welt der Troubadoure. Die Dichterin in der höfischen Kultur wurde – in der Einzahl – als „Trobairitz“ bezeichnet. Von den meisten dieser rund zwanzig Frauen kennen wir le- diglich Namen und den Inhalt ihrer Werke. Nur von wenigen sind sozialer Status, Ge- burtsort oder sogar die Familie bekannt. Als früheste bekannte Trobairitz gilt Azalaïs de Porcairagues, die im späten 12. Jahrhundert lebte und wohl aus Montpellier oder aus Portiragnes stammte. Berühmt wurden auch

die „Castelloza“, die angeblich aus der Auvergne stammte, sowie Beatriz de Dia, die „Gräfin von Die“, die in der Dauphiné lebte und sehr freizügig aus weiblicher Sicht die Liebe an einem Adelshof schilderte (s. rechts). Die Trobairitz nahm eine Sonderrolle ein; sie ist – vom späten 11. bis zum 13. Jahrhundert – nur in Südfrankreich belegt. Unter den Minnedichtern im deutschen Sprachraum ist kein entsprechendes weibliches Pendant bekannt. GD

DIE CASTELLOZA Die berühmte Trobairitz, die im frühen 13. Jahr- hundert lebte, ist in einem Manuskript dargestellt, das ebenfalls aus dem 13. Jahrhundert stammt (l.).

AKG / ALBUM

punkt stand die Dame, die auf die Reaktionen des Ehemannes zu achten hatte, dem der Troubadour in seiner Darbietung häufig die lächerliche Rolle des Eifersüchtigen, des Gilos , zuwies. Dies konn­ te im realen Leben durchaus zu angespannten Situationen führen – falls jemand über eine Adli­ ge, die einem Troubadour vielleicht wirklich be­ sonders zugetan war, anschließend schlecht re­ dete. Die fin’amor oder „höfische Liebe“, die in den Liedern zum Ausdruck kommt, war also voller Tücken. Standesunterschiede oder die Ehe der meist fest vergebenen Angebetenen verhinderten ein gemeinsames Glück. Die besungene Liebe musste unerfüllt bleiben, aber diente der geistigen Erbauung und sozialen Erhebung. Dabei blieb die aristokratische Vorstellung der fin’amor der Elite vorbehalten, die an den Höfen verkehrte. Die Da­ me, meist die Ehefrau des Lehnsherrn, stand in der Ehre höher als ihr singender Verehrer. Der katalanische Adlige Guilhem de Berguedan, der auf Okzitanisch dichtete, fleht seine Dame an: „Ich

Lieder „alles Gold der Welt“ wert. Als die adligen Kämpfer in ihre Heimat zurückkehrten, nahmen sie die Erinnerung an diese Kunst mit; bald da­ rauf entstanden erste Troubadourgesänge. Im Dienste der Dame Die christlichen Künstler wählten allerdings ein völlig neues Leitthema, das sich zudem deutlich vom Inhalt antiker oder frühmittelalterlicher Dichtungen unterscheidet. Im Zentrum der Trou­ badourdichtung steht erstmals die Verehrung einer (adligen) Frau. Als kultivierte Frau lauscht diese zwar gerne den Liedern der Troubadoure, bleibt aber stets distanziert. Diese Poesie wurde rezitiert oder gesungen, nicht gelesen, was die Bedeutung doppeldeutiger Begriffe in den Texten erklärt: Je gewagter ein Lied war, desto mehr

Interesse weck­ te es bei den Zuhörern. In deren Mittel­

Die Frau des Feudalherrn steht im Mittelpunkt der Troubadourkultur.

MUSIKER IN DEN CANTIGAS DE SANTA MARÍA ZUR ZEIT KÖNIG ALFONS X. (13. JH).

ORONOZ / ALBUM

Made with FlippingBook flipbook maker