Wissen & Personen ∕ Kemptner Hütte
SERIE: HÜTTEN ZAUBER
Das siebte Ei Folge 59: Seit 50 Jahren ist Gabi Braxmair Wirtin auf der Kemptner Hütte. Auch wenn ihr manchmal alles zu viel wird, brennt sie für die Hütte – es ist ihre zweite Heimat.
Text: Nina Ruhland
K lick. Der Zeiger des Weckers springt auf 4.30 Uhr. Weni- ge Sekunden später geht das erste Licht an auf der Kemptner Hütte. Auf 1844 Metern beginnt für Gabi Braxmair der Tag. Seit 50 Jahren geht das nun so. Jeden Mor- gen von Juni bis Oktober. So lange schon verbringt Gabi die Sommer auf der Kempt- ner Hütte. Als Vierjährige kam sie zum ers- ten Mal mit ihren Geschwistern und den Eltern, die die Alpenvereinshütte gepachtet
wie die Wirtin selbst. Wenn die letzten Gäste nach dem Frühstück gegen 8 Uhr die Hütte verlassen, folgen die einzigen ruhigen Momente des Tages für die Braxmairs und die Belegschaft: Team-Frühstück. 30 Mi- nuten Entspannung, bevor es mit Vollgas weitergeht. Für Gabi vor allem in der Kü- che. Sie checkt die Belegung für die kom- » Kuchenbacken war eigentlich nie meins, mittlerweile habe ich mich damit angefreundet.« mende Nacht, 95-mal Halbpension ist an- gemeldet. Sie kocht Suppe in Töpfen, groß wie Babybadewannen, wetzt Messer und schneidet den Rinderbraten, für den die Hütte bekannt ist. 1,2 Tonnen Rindfleisch verarbeiten sie pro Saison. Sie scherzt mit dem Personal, von dem sie sagt, es werde immer schwieriger, die passenden Leute zu finden und die Stimmung hoch zu halten. Zwischendurch wollen acht Maschinen Wä- sche gewaschen werden. Dann schüttet Gabi Zutaten für den himmlisch-fluffigen Käsekuchen in eine Schüssel. »Kuchenba- cken war eigentlich nie meins, mittlerweile habe ich mich damit angefreundet«, sagt Gabi und gibt sieben, statt der im Rezept
hatten, den Weg von Oberstdorf hinauf. Auch als die Kinder zur Schule mussten, blieb die Hütte fester Bestandteil des All- tags. »Jedes Wochenende mussten wir rauf kommen, da gab’s keine Diskussion«, erin- nert sich Gabi. Auch nicht in Teenager-Zei- ten, als die ganze Clique zum Feiern ging. Hütten-Arbeit statt Tal-Gaudi. »Das habe ich dann manchmal schon vermisst.« Doch es überwiegt die Erinnerung an unbe- schwerte Tage. »Wir hatten wirklich eine glückliche Kindheit. Wir haben immer im Hof gespielt, das war unser Reich. Und spä- ter auch der liebste Spielplatz unserer Kin- der, Sina und Moritz.« Mittlerweile sind aus den Kindern Erwachsene geworden, die während der Saison mit anpacken. Tochter Sina will die Hütte gar gerne eines Tages mit ihrem Mann Pius weiterführen. »Das ist schon ein schöner Gedanke«, sagt Gabi. »Aber es gibt ja auch die Momente, in de- nen alles zu viel wird. All die Bürokratie, die Abrechnungen – das ist ja nicht das, warum man so eine Hütte machen will.« Doch noch brennen Gabi und ihr Mann Martin für ihre zweite Heimat. Töpfe, groß wie Babywannen »Guten Morgen, Melitta«, Gabi kommt in die Küche und streichelt über die Kaffee- maschine. Mit ihren 45 Jahren blickt sie auf eine fast so lange Hütten-Karriere zurück
Kochen mit Schuss: Rotwein für den Rinder- braten
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