Wissen & Personen ∕ Alpenstädte des Jahres
INTERVIEW INGRID FISCHER
„Das Wir-Gefühl hält an“ Seit 20 Jahren trägt Sonthofen nun den Titel »Alpenstadt des Jahres«. Was das für die Stadt bedeutete und wie die Auszeichnung nachwirkt, weiß wohl niemand so gut wie Ingrid Fischer, die Vize-Bürgermeisterin.
BERGSTEIGER: Herzlichen Glückwunsch zu 20 Jahren Alpen- stadt. Sind Sie noch im Feier-Rausch? INGRID FISCHER: Vielen Dank. Tatsächlich haben wir schon im April nach unserem »Bio-regional-fair-Markt« mit einer Jubilä- umsfeier im Alpenstadtmuseum angefangen zu feiern und im Juni wurde mit einem Frühstück weiter gemacht. Im August wird im Rahmen eines Picknick-Konzertes der sanierte Alpenstadtweg nochmals eröffnet und am Tag der Berge am 11. Dezember finden die Feierlichkeiten einen Abschluss. Sie sind seit 2020 Präsidentin des Vereins »Alpenstadt des Jahres e.V.«. Welche Idee steckt dahinter? Der Verein wurde 1997 von Gerhard Leeb in Villach gegründet. Der Journalist hatte damals die Idee, die Städte in den Alpen zu verbinden. Es ging damals wie heute darum, Netzwerke zu bilden und sich auszutauschen, um voneinander lernen und sich gegen- seitig inspirieren zu können. Wie gelangt eine Kommune an den Titel »Alpenstadt des Jahres«? Eine internationale, vom Verein gewählte Jury, die sich derzeit aus Vertretern der CIPRA International, des Gemeindenetzwerks »Allianz in den Alpen«, der »Pro Vita Alpina« und der Universität Genf zusammensetzt, schlägt dem Verein in der Regel jedes Jahr eine Stadt vor, die den Titel »Alpenstadt des Jahres« erhalten könnte. Basis hierfür ist eine entsprechende Bewerbung der jeweiligen Stadt. Der Titel zeichnet eine Alpenstadt für ihr be- sonderes Engagement bei der Umsetzung der Alpenkonvention aus. Die Mitgliederversammlung entscheidet schließlich über die Aufnahme. Warum spielen gerade die Städte eine entscheidende Rolle? Weil hier rund zwei Drittel der Alpenbevölkerung leben. Kultur und Natur, Ökonomie und Ökologie prallen hier aufeinander. Darum ist es besonders wichtig, in den Städten zu zeigen, dass sich die Punkte nicht gegenseitig ausschließen, sondern sinnvoll ergänzen können. Wann hat sich Sonthofen um den Titel beworben? Schon direkt am Anfang. Aber unser Konzept war noch nicht gut genug und die Bewerbung wurde zunächst abgelehnt. Uns fehlten einfach noch die richtigen nachhaltigen Projekte. Daran haben wir weiter gefeilt und uns erneut beworben.
Im Jahr 2005 hat es dann schließlich geklappt. Was hat die Jury bei der Bewerbung und schließlich die Mitglie- derversammlung des Vereins bei der Wahl überzeugt? Das war zum einen unser Holzhackschnitzel-Heizkraft- werk mit Fernwärme. Zum anderen die Umsetzung einer autofreien Innenstadt und die ökologische Gestaltung des Kurparks auf dem Kalvarien- berg. Zudem honorierte die Jury, dass wir mit der Ausarbei- tung und Umsetzung des Leitbildes »Zukunft Sontho- fen« auf eine aktive Beteiligung unserer Bürgerinnen und Bürger gesetzt haben.
Seit elf Jahren ist Ingrid Fischer Zweite Bürgermeisterin von Sonthofen. Stadtpolitisch aktiv ist sie schon weit länger.
Waren die Reaktionen auf die Bewerbung denn gleich durchweg positiv? Nein, im Gegenteil! Der damalige Bürgermeister Hubert Buhl musste erstmal den mehrheitlich skeptischen Stadtrat davon überzeugen. Auch heute braucht’s manchmal noch Überzeugungs- arbeit für die Inhalte des Vereins. Aber mir ist es wichtig, dass die Idee, die hinter der Alpenstadt des Jahres steht, hier im Rathaus fest verankert ist. Das ist für uns als Stadt wichtig, viel mehr aber noch für die Zukunftsgestaltung der Bürgerinnen und Bürger. Wie stehen die zu dem Titel ihrer Stadt? Ist er bei den Einwohnerinnen und Einwohnern präsent? Nicht so sehr, wie ich es mir wünschen würde. Ich glaube, für viele sind unsere Titel, also »Alpenstadt des Jahres«, »Faire Stadt«, »Luftkurort« oder »Radstadt« im Alltag eher selbstver- ständlich. Aber was ist hängengeblieben von der Auszeichnung, oder was hat sich innerhalb der letzten zwanzig Jahre aus ihr in Sonthofen entwickelt? In unser neues Leitbild haben wir damals die Richtlinien der Alpenkonvention aufgenommen. Alle Beschlüsse sollen – wenn
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