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Drei Kräuter der Traditionellen Chinesischen Medizin

übermäßig, äußerlich und aufwühlend. Ein Ungleichgewicht stört den Fluss und äußert sich in Krankheit. Vor einer Behandlung beur- teilen Kundige der TCM daher eine Vielzahl von Phänomenen. Der Patient kann zum Beispiel eine kalte, feuchte, stagnierende Energie aufweisen (Yin-Überschuss) oder eine trockene, heiße und übererregte (Yang-Überschuss). Kräuter und Nahrungsmittel werden ebenfalls Yin und Yang sowie aufgrund ihres Geschmacks den fünf Elementen der Natur zugeordnet: Holz, Feuer, Erde, Metall und Wasser. Traditionell gibt es die fünf Geschmacksrichtungen süß, salzig, bit- ter, scharf und sauer. Jede von ihnen entspricht einem Organsystem und ist eng mit einer medi- zinischen Wirkung verbunden. Aus der Sicht der TCM lösen Lebensmittel und Kräuter jeweils

9 Kalmegh GATTUNG UND ART: Andrographis paniculata FAMILIE: Acanthaceae In der TCM zieht Kalmegh Feuchtigkeit und Hitze aus Lunge, Verdauungsorganen und Haut. Der „König der Bitterkräuter“ wird wegen seiner immunstärkenden Eigenschaften geschätzt und oft beim ersten Anzei- chen einer Infektion durch Viren oder Bakterien emp- fohlen. Das potente Kraut enthält reichlich Flavo- noide, die Allergien lindern und gegen Verschleimung helfen. Wegen seiner ent- zündungshemmenden Eigenschaften ist Kalmegh ein nützliches Mittel für Menschen mit Autoimmun- erkrankungen wie Colitis ulcerosa, Lupus und rheu- matoider Arthritis. Weil es die Blutgefäße entspannt, den Blutdruck senkt und Gerinnsel verhindert, för- dert Kalmegh zudem die Herzgesundheit. Auch in der ayurvedischen Tradi- tion Indiens wird Kalmegh geschätzt; dort gilt es als kühlend und entgiftend.

Wirkung hin. Die trompeten- artigen Blüten haben eine kühlende, entzündungshem- mende Wirkung. Löffelweise eingenommener Geißblatt- honig wirkt nicht nur gegen Husten und Halsschmerzen, sondern schmeckt auch noch köstlich. Waschungen mit Geißblatttee helfen gegen Hautreizungen und -infek- tionen sowie bei Hautaus- schlag. Ein in kalten Aufguss eingelegtes Handtuch lin- dert Kopfschmerzen und beruhigt sonnenverbrannte Haut. Wegen seiner antivi- ralen Eigenschaften wirkt es als Sprühnebel auch lindernd bei schmerzhaften Herpes- bläschen oder Gürtelrosen.

bestimmte Empfindungen aus. Sie können wärmen wie Ingwer, kühlen wie Kalmegh, neutral sein wie Shiitake oder auch stimulie- rend oder stagnierend wirken. Sie können befeuchten oder austrocknen, tonisieren oder auslaugen. Das Grundprinzip ist, dass Kräuter und Nahrung den Körper entweder kühlen oder erwärmen und so ein Symptom lindern, das auf eine zu warme oder zu kalte Konstitution zu- rückzuführen ist. Jemandem mit schmerzhaftem Rheuma, das an feuchten Tagen schlimmer wird, könnte beispielsweise eine Zubereitung aus trocknenden, wärmenden Kräutern helfen.

11 Kudzu

GATTUNG UND ART: Pueraria montana FAMILIE: Fabaceae

In vielen Ländern kennt man Kudzu vor allem als invasive Pflanzenart, doch in seiner Heimat Asien ist es ein traditionelles Arznei- kraut. Die jungen Blätter lassen sich als nährstoffrei- ches Gemüse zubereiten, die fruchtig-floralen Blüten verleihen beispielsweise Marmeladen und Gelees ein zartes Aroma. Viele hei- lende Eigenschaften der Pflanze lassen sich auf ihren hohen Gehalt an Isoflavo- nen zurückführen, sekundä- ren Pflanzenstoffen, denen eine Schutzwirkung gegen Brust- und Prostatakrebs, Wechseljahresbeschwerden und Osteoporose nachge- sagt wird. In der TCM gilt Kudzu als kalt und süß und kommt gemeinhin gegen Fieber, Kopfschmerzen, Diabetes und Herzerkran- kungen zum Einsatz.

10 Geißblatt GATTUNG UND ART: Lonicera japonica

FAMILIE: Caprifoliaceae Das Japanische Geißblatt wird in der TCM traditionell zur Behandlung von Fieber, Erkältungen, Grippe, Lun- genentzündung und Bron- chitis eingesetzt. Asiatische Studien deuten auf eine antivirale, antibakterielle und cholesterinsenkende

Eine TCM-Schülerin (l.) studiert die Eigenschaften verschiedener Zutaten wie Kalmegh (o.) und traditionelle Methoden der Herstellung und Verabreichung von Arzneimitteln.

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