NATIONAL GEOGRAPHIC SPECIAL

ÄGYPTENS AUFSTIEG

Moment Verstärkung eintraf. Es kam zu einem Patt. Seine angeschlagenen Truppen zogen sich zurück. Diese Schmach ließ Ramses II. nicht auf sich sit- zen. In ganz Ägypten erzählen Wandbilder eine glorifizierte Geschichte: eine nämlich, wonach Ram- ses II. die Feinde eigenhändig niedergerungen habe. In Wahrheit schloss Ramses II. nach jahrelanger Verhandlung mit den Hethitern Frieden – in Form des ältesten schriftlich erhaltenen Friedensvertrages der Welt. Beide Seiten einigten sich darauf, Flücht- linge auszuliefern und nach deren Rückkehr keine Vergeltung zu üben. Weiterhin willigte man ein, im Falle eines Angriffs durch Dritte eine Militärallianz zu schmieden. Der Text wurde unter anderem in Hiero- glyphen auf eine Stele im Karnak-Tempel gemeißelt. Eine zweite, in Keilschrift geschriebene akkadische Version fand man 1906 auf einer Tontafel in der Tür- kei. Eine Kopie davon ist heute am Sitz der Vereinten Nationen in New York ausgestellt. AUF SEINE ART UNSTERBLICH Im Zeichen guter Diplomatie heiratete Ramses II. die älteste Tochter des Hethiter-Königs. Sie lebte gemeinsam mit ihm, seiner Hauptfrau Nefertari und seiner großen Familie – Ramses zeugte mehr als 100 Kinder – in der neuen Hauptstadt Pi-Ramesse. Ramses II. verfolgte eine der größten Baukampa- gnen, die je ein Pharao in Angriff genommen hatte. Seine Tempel in Karnak und Abu Simbel zählen zu den größten Wundern Ägyptens. Sein Totentem- pel, das Ramesseum, beherbergte eine gewaltige Bibliothek mit 10 000 Papyrusrollen. Und in Abydos vollendete er das Millionenjahrhaus zu Ehren sei- nes Vaters und baute nahebei noch einen Tempel für sich. Nach seinem Tod übernahmen schließlich neun weitere Pharaonen seinen Namen. So blieb Ramses II. der Nachwelt tatsächlich als der größte Herrscher Ägyptens in Erinnerung. ◆ LINKE SEITE: Bildnisse von Ramses II., seiner Familie und dem Gott Amun-Re sind in Abu Simbel eingemeißelt. RECHTS: Die goldene Totenmaske des Kronprinzen.

U nter den mehr als 100 Kindern Ramses II. sticht Prinz Chaemwaset ganz besonders hervor. Er hatte die angesehene Stellung des Hohepriesters von Ptah inne, der in Memphis als Schöpfergott verehrt wurde. Flachreliefs zeigen den Kronprinzen bei der Ausübung sei- ner wichtigen Pflicht: In einem unterirdischen Tempel in Sakkara, dem sogenannten Sera- peum, hütete er die Gräber der heiligen Apis- Stiere, die den Gott Ptah verkörperten. Chaemwasets größtes Vermächtnis ist sein Ruf als einer der ersten Archäologen. Der Prinz war fasziniert von all den Wahrzeichen des Alten Reichs, die ihn in Memphis umga- ben, und restaurierte Tempel und Pyramiden. Bei jeder Restaurierung meißelte er Namen und Titel der ursprünglichen „Besitzer“ in den Stein, ebenso seinen eigenen Namen und den seines Vaters. Noch ein Jahrtausend nach sei- nem Tod wurde er als Gelehrter verehrt. ZEITGENOSSEN Prinz Chaemwaset, der Königssohn

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