HEILSAMES AUS DER TASSE
T EES, TISANES, AUFGÜSSE UND ABSUDE sind alle- samt pflanzliche Zubereitungen auf Wasserbasis. Ein „Tee“ wird im eigentlichen Sinne aus den Blättern und Knospen der Teepflanze Camellia sinensis zube- reitet, die seit Jahrtausenden in Südostasien, vor allem in China, angebaut wird. In diesem Buch wird der Begriff „Tee“ jedoch weiter gefasst und bezieht sich auf heiße oder kalte Kräutertees oder tisanes , eine französische Bezeichnung für Kräutertee. Für einen klassischen Kräutertee werden Blätter, Blüten oder aromatische Pflanzenteile mit dampfend heißem Wasser übergossen, abgedeckt und eine Weile ziehen gelas- sen. Das Aufgießen setzt die wasserlöslichen Bestandteile frei, die den Tees einzigartige Farben, Aromen und Düfte verleihen, etwa das tiefe Kupferrot von Rooibos oder das säuerliche Aroma des mit Roselle zubereiteten Hibiskustees. Wie lange ein Kräutertee ziehen muss, hängt von verschie- denen Faktoren wie Aroma, Adstringenz und gewünsch- ter Stärke ab; in der Regel sind es zwischen fünf und zehn Minuten Ziehzeit. Aromakräuter wie Zitronenmelisse, Kamillen- oder Geißblattblüten haben eine kürzere Ziehzeit. Typischerweise genügen ein bis drei Teelöffel Blätter, Blüten oder Teemischung pro Tasse. Kräutertees können abgeseiht und sowohl warm als auch gekühlt mit Eis getrunken werden. Sie lassen sich bis zu drei Tage im Kühlschrank aufbewahren. Als erfrischende Stärkung an warmen Tagen kann man einige Kräuter, etwa Holunderblüten und rote Sumachbeeren, auch mit Zitronen- oder Gurkenscheiben in Wasser legen und in der Sonne ziehen lassen. Saftige Kräuter wie Kletten- Labkraut und Vogelmiere lassen sich im Entsafter zu dun- kelgrünem, nährstoffreichem Saft verarbeiten. Bestimmte lindernde oder schleimhaltige Pflanzen wie Pfirsichblätter und Breitwegerich legt man am besten über Nacht in kaltes Wasser. Leinsamen werden in kaltem Wasser zu einer samti- gen, geschmeidigen Infusion namens emoliente , die in Peru als Allheilmittel gilt. Die Traditon der weisen Frau gibt der Nährkraft über Nacht gezogener Aufgüsse den Vorzug. Dazu werden etwa 30 Gramm getrocknete Brennnesselblätter oder magnesium- reiches Haferstroh mit heißem Wasser übergossen, in einem
geschlossenen Schraubglas über Nacht stehen gelassen und am nächsten Tag abgeseiht und getrunken. Durch die lange Ziehzeit werden gerade bei sehr nährstoffreichen Kräutern mehr Mineralstoffe gelöst. Beim Abseihen die Kräuter aus- drücken und den Aufguss warm oder gekühlt trinken. Nach Geschmack können noch Zitrone oder Honig sowie Aromaten wie Pfefferminze, Zitronengras oder Orangenschale zuge- fügt werden. Auch dieser Aufguss hält sich bis zu zwei Tage im Kühlschrank. Absude sind Tees aus robusteren Pflanzenteilen wie Wurzeln, Rinde und Samen, die eine Weile lang geköchelt werden. Ein paar Tragantwurzeln oder Zimtstangen, gehackte Löwenzahnwurzeln oder eine Handvoll Shiitakepilze erge- ben nährstoffreiche Abkochungen, wenn man sie mindestens 20 Minuten in einem Topf Wasser köcheln lässt. Viele moderne Trends haben ihre Wurzeln in traditionel- len Zubereitungen; so werden Taiga- und Klettenwurzeln in der Traditionellen Chinesischen Medizin schon seit vie- len Generationen zu Absuden verarbeitet. Ayurvedische Kräuterpulver wie Shatavari und Ashwagandha ergeben, mit Kurkuma und Ghee in Milch aufgekocht, die berühmte, köstliche goldene Milch.
Tee lässt sich aus einer Vielzahl pflanz- licher Zutaten her- stellen, zum Beispiel aus Passionsblumen- blüten (ganz r.). Es können Blüten, Blätter Knospen, Wurzeln oder eine Mischung aller Pflanzenteile verar- beitet werden.
82 DIE KRAFT DER KRÄUTER
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