IJAB Journal 1/2021: Internationer Austausch und Corona

Im Fokus: Demokratiebildung in der Internationalen Jugendarbeit

mit dem Pandemiegeschehen konfron- tiert waren. Wir haben uns sehr für die Einreise ausländischer Au-pairs ausge- sprochen und dies auch durch eine Pe- tition ab Mitte November 2020 erreicht. Für die Jugendlichen haben alle RAL-zer- tifizierten Agenturen Gesprächsangebote geschaffen. Webinare und Videocalls wa- ren an der Tagesordnung. Auch wurden Quarantäne-Sprechstunden für Au-pairs eingerichtet. Da die Jugendlichen kei- nen Präsenzunterricht mehr besuchen konnten, wurde das Angebot unserer Kooperationspartner (Sprachschulen) auf Online-Unterricht umgestellt. Aktuelle Herausforderungen beste- hen auch im Zusammenhang mit der Corona-Impfung: Jugendliche können das Visum im Ausland nur beantragen, wenn sie schon eine Impfung mit einem in der EU zugelassenen Impfstoff haben. Es ist kompliziert, diese Vorgabe für alle Länder zu erfüllen. Wir beobachten das Geschehen und informieren Familien sowie ausländische Jugendliche zeitnah. Mit der bestehenden Forderung einer vereinfachten Visumspolitik für Au-pairs lassen wir nicht locker und bleiben mit erkannt, woraufhin im Sommer 2020 ein 25 Millionen Euro-Sonderprogramm beschlossen und damit unsere Existenz gesichert wurde. Dafür sind wir den Frak- tionen des Bundestages, die uns unter- stützt haben, und den Mitarbeiter*innen des BMFSFJ, die das Sonderprogramm umsichtig und engagiert umgesetzt ha- ben, unglaublich dankbar! Die mehr als 50 YFU-Organisationen auf allen Kon- tinenten sind noch schlimmer von der Krise getroffen worden. Einige Partner sind kollabiert, weitere befinden sich in einem ‚Winterschlaf’. Auf dem Weg in das „New Normal“ ar- beiten wir nunmehr am Wiederaufbau – und wir sind auf einem guten Weg. Für das Programmjahr 22 / 23 ist die Nach- frage höher als vor der Pandemie. Auch Gastfamilien, die die nach Deutschland kommende Schüler*innen unentgeltlich aufnehmen, haben sich in großer Zahl gemeldet. Unser Verein reagiert mit einem un- glaublichen Durchhaltevermögen auf die Krise: Die Kreativität der ehrenamtlichen Mitarbeiter*innen ist beeindruckend, das

deutschen Behörden, Botschaften im Ausland und dem Auswärtigen Amt wei- terhin im Gespräch. Auch im Outgoing-Bereich gestaltet sich die Planung eines Auslandsaufenthalts noch eineinhalb Jahre nach Ausbruch der Pandemie äußerst schwierig. Zu Be- ginn der COVID-19-Krise ging es haupt- sächlich darum, die jungen Erwachse- nen im Ausland dabei zu unterstützen, wieder nach Hause zu kommen. Beliebte Länder wie Australien und Neuseeland haben die Grenzen seitdem geschlossen. Eine Platzierung in den europäischen Nachbarländern, vor allem in Zentral- und Südeuropa, war ab Sommer 2020 teilweise möglich. Bei dauernd sich än- dernden Einreisebestimmungen und ent- sprechender Sorgfalt bei der Beachtung aller Richtlinien ist seitdem die Vermitt- lung in einige europäische Länder mög- lich. Nach Kanada und in die USA dürfen Au-pairs nur bei vollständiger Impfung; die Einreise für Au-pairs nach Groß- britannien gestaltet sich aufgrund des Brexits als unmöglich. Hierzu sind wir in Gesprächen und erhoffen uns politische Hilfe. Spendenaufkommen hat sich im vergan- genen Jahr verdoppelt, die Mitglieder- zahl hat sich deutlich erhöht. Wir haben neue strategische Ziele beschlossen: quantitative und qualitative Weiter- entwicklung der Austauschprogramme, Stärkung der ehrenamtlichen Strukturen und des Vereinslebens, Vielfalt, Diversi- tät und Nachhaltigkeit. Zwei Entwicklungen bereiten uns Pro- bleme: Erstens die „Zoom-Fatigue“, die mittlerweile die Motivation der Mitarbeiter*innen beeinträchtigt. Und zweitens bestätigt sich die triviale Er- kenntnis, dass Austauschprogramme ihr Potential nur entfalten können, wenn persönliche Begegnungen stattfinden. Vorherrschend ist aber eine optimistische Haltung, und die Unterstützung seitens der Politik hat uns viele Türen geöffnet. Aus der Defensive sind wir in die Offen- sive gekommen. Wir sind zuversichtlich, den Umfang unserer Austauschpro- gramme bald wieder auf das alte Niveau zu bringen. Mit der Kampagne www. zurueck-in-die-welt.de glauben wir, die Rahmenbedingungen unserer Arbeit nachhaltig verbessern zu können.

Aufgrund der international unterschied- lichen Ein- und Ausreisebestimmungen, der Kategorisierung in verschiedene Ri- sikogebiete und letztendlich durch den Einreisestopp nach Deutschland für Au- pairs aus visumspflichtigen Ländern wa- ren die Herausforderungen für uns sehr groß. Wir haben umgehend reagiert und aktive Lobbyarbeit betrieben – dazu zählt bis heute die intensive Kontaktpflege mit den Botschaften und dem Auswärtigen Amt. Unsere Mitgliedsagenturen haben wir über Förderprogramme (Überbrü- ckungshilfen u. a.) beraten und infor- miert. Wir hatten viel zu tun mit ver- ängstigten Jugendlichen, die plötzlich Sevda Nagel Vorsitzende der Gütegemeinschaft Au pair sevda.nagel@familienservice.de

Die im AJA – Arbeitskreis gemeinnütziger Jugendaustausch – zusammengeschlos- senen Anbieter langfristiger Austausch- programme waren im Frühjahr 2020, als alle Programme abgebrochen werden mussten, vom Zusammenbruch bedroht. Da es bisher keine Förderung des lang- fristigen Schüleraustausches durch den Staat gibt, ist die Finanzierung von den Kostenbeiträgen der Teilnehmer*innen abhängig. Unser Konzept war deshalb von einem auf den anderen Tag zusammen- gebrochen. Die Politik hat diese Situation Knut Möller Geschäftsführer Deutsches Youth For Understanding Komitee e. V. (YFU) moeller@yfu.de

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