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wie es der Fall gewesen wäre, wenn historisch wichtige Konzepte bezüglich der Abwehrfunktionen des Ichs vorbehaltlos in die tatsächliche Anwendung der psychoanalytischen Technik integriert worden wären“ (S. 622). Ein Jahrzehnt später legte Gray seine Methode systematischer dar. Sie beruht auf der wohlbekannten klinischen Beobachtung, dass es im Assoziationsfluss der Patienten häufig zu einer Veränderung, und zwar zu einer affektiven Veränderung, kommt. Der Patient verfällt plötzlich in Schweigen oder wechselt das Thema. Gray (1994) nahm an, dass sich in solchen Momenten potenziell ein aktiver Widerstand beobachten lasse. Seine „engmaschige Prozessbeobachtung“, die auf die Abwehrfunktion des Assoziationsflusses konzentrierte Aufmerksamkeit, fokussiert auf die Übertragungsanalyse im Zusammenhang mit möglichen urteilenden Reaktionen des Analytikers im Rahmen des modernen konflikttheoretischen Paradigmas. Allerdings kollidierte Grays Sichtweise zunehmend mit der von Paniagua (2001) beschriebenen Attraktion der auf dem topischen Modell beruhenden Untersuchung des Unbewussten unter Umgehung von Freuds zweiter Angsttheorie. Vor diesem Hintergrund verlieh Gray seiner Auffassung, dass seine Methode die einzige Möglichkeit sei, unbewusste Widerstände aufzudecken, und dass nichts anderes erforderlich sei, um unbewusste Phantasien auftauchen zu lassen, wachsenden Nachdruck. Einige Kritiker (z.B. Phillips 2006) wandten ein, dass Gray die Rolle, die die Aggression im Seelenleben spielt, allzu stark gewichte, und dass seine Methode zwar für die Analyse der Verdrängung geeignet sei, nicht jedoch für die Analyse anderer Abwehrformen wie Spaltung oder Verleugnung. Diese Faktoren trugen zusammen mit dem wachsenden Interesse an der analytischen Arbeit mit einem breiteren Patientenspektrum, die die verschiedenen Facetten der analytischen Beziehung und die damit zusammenhängenden Charakterista des Übertragungs- Gegenübertragungsfeldes stärker in den Vordergrund rückt, dazu bei, dass Grays Methode ihren Einfluss nach und nach einbüßte. Sein „mikrostrukturelles Modell“ der Anwendung der Methode der freien Assoziation zur Identifizierung und Analyse der wandlungsfähigen Abwehrmöglichkeiten des Ichs aber hat überdauert. Anton Kris (1982) verstand seinen Ansatz als eine klinische Spezifizierung und Weiterentwicklung des ursprünglich von Freud angeregten und von Rapaport (1944), Greenson (1967), Gray (1973) und Blum (1979) sowie Loewenstein (1981) aufgegriffenen Gedankengangs. Zu den Zielen der Behandlung zählte er eine größere Freiheit in der Handhabung der freien Assoziation, der er Freuds (1914g) Erkenntnis zugrunde legte, dass das, was nicht ins Bewusstsein gelangen darf, das Ausagieren des unbewussten Konflikts verursache. Kris behauptete, dass die freie Assoziation das maßgebliche Instrument zur Erforschung der menschlichen Psyche bleibe. Er untersuchte die Methode und den Prozess der freien Assoziation, die er sowohl als Materialquelle wie auch als Ausgangspunkt für die klinische Formulierung betrachtete. Er unterstrich die zahlreichen Varianten und Funktionen der freien Assoziationen und betonte die
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