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betrachtet die Objektbeziehungen als einen „wesentlichen Organisator des Ichs“ und die „Selbst-Objekt-Affekt-Einheiten“ als primäre Determinanten der psychischen Strukturen Es, Ich und Über-Ich. In seinem Beitrag “Self, Ego, Affects, and Drives” legt Kernberg (1982) seine Sicht der Entwicklung und der Strukturbildung dar und zeigt eine Modifizierung der dualen Triebtheorie auf. Indem er das Selbst als eine intrapsychische Struktur beschreibt, die aus dem Ich hervorgeht und ins Ich eingebettet ist, orientiert er sich eng an Freuds impliziter Annahme, dass Selbst und Ich unauflöslich miteinander verbunden sind. Seine Beschreibung der Entstehung der frühen Selbst- und Objektrepräsentanzen integriert Erkenntnisse der zeitgenössischen Neurobiologie und Studien über die Säuglingsentwicklung mit seiner revidierten Formulierung der dualen Triebtheorie im Licht der Beziehung zwischen Affekten und Trieben. Zahlreiche Affekte bilden demnach die primären Motivationssysteme und verknüpfen zunehmend differenzierte und integrierte Selbst- und Objektrepräsentanzen. Dabei konsolidieren sich die Affekte nach und nach zu libidinösen und aggressiven Trieben. Diesem Modell gemäß sind Affekte die Bausteine oder konstitutiven Bestandteile der Triebe. Kernberg hat seine integratives Theoriebildung im Laufe der folgenden 30 Jahre fortgesetzt. Kernbergs Version der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie (1982, 2004, 2015) zeigt die Beziehung zwischen den Ebenen der psychischen Strukturentwicklung zur Persönlichkeitsorganisation und zur Psychopathologie auf. Kernberg beschreibt zwei basale Ebenen der Persönlichkeitsorganisation (Borderline- und neurotische Organisation), denen zwei basale Ebenen der Entwicklung zugrunde liegen. Diese folgen auf die ursprüngliche Undifferenziertheit von Selbst und Objekt (Psychose). Kernberg knüpft an Jacobson und Mahler an, integriert Aspekte des kleinianischen Denkens und nimmt an, dass das präverbale Kind unter der Vorherrschaft von „Spitzenaffektzuständen“ eine duale psychische Struktur aufbaut. In diesen Zuständen intensiver Affekte werden Selbst und Objekt in idealisierte und/oder verfolgende Partialobjektrepräsentanzen gespalten oder dissoziiert. Werden die Mutter- Kind-Interaktionen von einem aggressiven Affekt beherrscht, so ist die für den Erwerb der Ich-Identität erforderliche Integration beeinträchtigt und es entwickelt sich eine Borderline-Persönlichkeitssstörung. Im Falle des Narzissmus wird eine „pathologische Selbststruktur“ („Größenselbst“, „grandioses Selbst“), die Repräsentanzen des „Realselbst“, des „Idealselbst“ sowie des „Idealobjekts“ enthält, libidinös besetzt. Wenn die Entwicklungsbedingungen während der ersten drei Lebensjahre aber die Toleranz ambivalenter Gefühle, also positiver wie auch negativer emotionaler Beziehungen zu denselben äußeren Objekten, zulassen, kann das Kind ein integriertes Selbstgefühl („normales Selbst“, realistisches Selbstkonzept) und die Fähigkeit erwerben, wichtige Andere auf integrierte Weise zu sehen. Der Erwerb der Selbst und Objektkonstanz ermöglicht die Entstehung der Ich-Identität. Die daraus resultierende innere Strukturbildung setzt dem Es Grenzen und lässt ein Ich entstehen, das über
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