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David Rapaport (1950) erweiterte die Komplexität des Konzepts um das „reflexive Gewahrsein“ (das Gewahrsein, dass man wahrnimmt) als Komponente der inneren Realitätsprüfung und betonte, dass es helfe, zwischen Bewusstseinszuständen wie etwa dem Vorstellen mit und ohne Gewahrsein zu unterscheiden. Dazu zählen auch subtile Varianten des bewussten Erlebens in Bezug auf Perzepte, Erinnerungen, Annahmen und Einschätzungen, ob etwas zutreffend ist oder nicht, gewiss oder ungewiss. Unter einem psychoanalytischen Blickwinkel betrachtet, bewirken die unvermeidlichen unbewussten Einflüsse auf Wahrnehmung und Erinnerung eine mehr oder weniger ausgeprägte Interpenetration des äußeren und des inneren Bereichs, so dass die Wahrnehmung der Außenwelt und anderer Menschen immer auch Elemente einer „Übertragung“ enthält (Grubrich-Simitis 2008). Peter Fonagy hat das reflexive Gewahrsein mit dem Konzept des Mentalisierens ausgearbeitet und beschreibt eine Reflexionsfunktion , die sowohl ein Gewahrsein von Selbst- und Ich-Zuständen als auch von Aspekten der inneren Zustände anderer Menschen umfasst (Fonagy, Gergely, Jurist & Target 2002/2004). Die Realitätskonstanz (Frosch 1966) ist konzipiert als – parallel zum Erwerb der Objektkonstanz erfolgendes - Erreichen eines gewissen Grades an Organisation, Kontinuität und Stabilität der Komponenten der Realitätsbeziehung. Die Spezifikation einer als Realitätsverarbeitung (Robbins & Sadow 1974) bezeichneten Entwicklungslinie unterstreicht den Erwerb komplexerer Aspekte der inneren und äußeren Realität, der aus deren Interaktion resultiert. Ein damit eng zusammenhängendes Konzept ist der „Realitätssinn“. Paul Federn (1926) beschrieb ein auf dem Gewahrsein der Ich-Grenzen beruhendes Ich- Gefühl, das der Wahrnehmung der Innen-Außen-Unterscheidung zugrunde liegt, also nicht mit einer beurteilenden und vergleichenden Realitätsprüfung identisch ist. Relativ intakte Ich-Grenzen sind für eine zutreffende Realitätsprüfung unabdingbar (Federn 1926; Kernberg 1967). Die Realitätsprüfung ist intellektueller, rationaler und konzeptueller, der Realitätssinn hingegen emotionaler, intuitiver und in höherem Maße wahrnehmungsbezogen. „Die Realitätsprüfung findet ihr Material in den Bedingungen der Erfahrung, während der Realitätssinn die Erfahrung an sich betrifft“ (Weisman 1958, S. 246). III Bdb. Ich-Stärke(n) Ich-Stärken unterscheiden sich von den basalen Ich-Funktionen und sind durch Aufschub und Kontrollfähigkeiten definiert. Zu ihnen zählen: • Impulskontrolle – i.e., Aufschub der Befriedigung oraler, sexueller und feindselig-destruktiver Wünsche; • Affektregulation – die Fähigkeit, starke Affekte zu ertragen, ohne Abwehrmechanismen zu aktivieren;
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