Zurück zum Inhaltsverzeichnis
bessere Verständnis primitiver psychischer Ebenen hat aber zu einer über das Verbale hinausgehenden Erweiterung des Inhalts freier Assoziationen geführt. Betont wurde auch, dass das freie Assoziieren nicht mehr als eine natürliche, alltägliche psychische Aktivität sei, die – angewandt im analytischen Setting – die Erforschung der inneren Welt ermöglicht. Darüber hinaus kann die Untersuchung der Methode der freien Assoziationen aber auch einen scheinbaren Widerspruch offenbaren, wenn beide Elemente, „frei“ und „Assoziation“, unabhängig voneinander betrachtet werden. Etwas zu assoziieren bedeutet soviel wie verbinden, zusammenführen, während „frei“ (und spontan) nicht auf die Herstellung von Verbindungen zu zielen scheint. Diese vermeintliche Paradoxie löst sich auf, wenn man die unbewusste Determiniertheit „freier Assoziationen“ anerkennt. Freuds anfängliche Überlegung, dass die freie Assoziation unauflösbar mit der „gleichschwebenden Aufmerksamkeit“ des Analytikers zusammengeht und die psychoanalytische Grundregel deshalb beide Elemente einbezieht, ist ebenfalls weiterentwickelt worden. Diese Sichtweise steht mit der heutigen Psychoanalyse und ihrer Betonung der großen Bedeutung, die der Teilhabe des Analytikers an der Beziehung zukommt – und folglich auch der Notwendigkeit, seine Gegenübertragung anzuerkennen, um den Patienten verstehen zu können –, in Einklang. Auch in Lateinamerika bestätigt die zeitgenössische Forschung, dass die technische Methode der freien Assoziation in jedem psychoanalytischen Prozess verwendet wird, wenngleich sie zum Teil – insbesondere mit Blick auf eine verstärkte Aktivität des Analytikers in der Behandlung von Patienten mit komplexen Persönlichkeitsstörungen – „transformiert“ und modifiziert wurde. So wurden für Borderline-Patienten zusätzliche Instrumente wie die Arbeit mit Enactment und „Darstellbarkeit“ entwickelt, die die freie Assoziation ergänzen. Lateinamerikanische Analytiker betonen, dass freie Assoziation und gleichschwebende Aufmerksamkeit als Teil eines allgemeineren Setting- und Beziehungskontextes die Kommunikation unbewusster Inhalte durch den Patienten und ihre technische Handhabung durch den Analytiker erleichtern. Das ursprüngliche Konzept der freien Assoziation als Grundregel des psychoanalytischen Prozesses wurde auch in Situationen außerhalb der klinischen Praxis, zum Beispiel in der klinischen Forschung, angewandt. Trotz seiner voranalytischen Wurzeln hat das ursprüngliche Konzept der freien Assoziation seine Grundlagen in einer klinischen Tatsache. Es muss definiert und von anderen, verwandten Konzepten unterschieden werden. Solcherart definiert, kann es erweitert, weiterentwickelt und ohne die Gefahr einer Sättigung oder Denaturalisierung durch andere Elemente ergänzt werden.
156
Made with FlippingBook - Online magazine maker