Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Einheit bestehenden psychischen Feldes organisiert“ (Loewald 1986 [1971], S. 109). Aufgrund solcher Aussagen hat man Loewald, der sich selbst als Ich-Psychologe verstand, später als beispielhaft für das am „Dritten Modell“ orientierte Denken bezeichnet (s. unten). (Siehe auch den Eintrag OBJEKTBEZIEHUNGSTHEORIEN). Indem Loewald Freuds Triebtheorie und die Ich-Psychologie in seinen Schriften miteinander verband, baute er eine entscheidende Brücke zwischen einer „Eine-Person-Psychologie“ und einer „Zwei-Personen-Objektbeziehungspsychologie“ (siehe auch die Einträge ICH-PSYCHOLOGIE und OBJEKTBEZIEHUNGSTHEORIEN). In Reaktion auf die Kritik beider Seiten – die dieser hybriden integrativen Orientierung vorwarfen, das Unbewusste und die Triebe allzu stark zu gewichten bzw. zu vernachlässigen – erörterte Chodorow (2004), inwiefern intersubjektive Ich- Psychologen Loewalds Interesse am Unbewussten des Analytikers und seinen Auswirkungen auf den klinischen Prozess weiterhin pflegen; sie finden das Unbewusste in Eriksons Aufmerksamkeit für Ängste und Abwehrmechanismen und in den Prozessen der kindlichen Symptombildung, die er detailliert und einfühlsam beschreibt. Gerade weil am Anfang der Psychoanalyse die Anerkennung der unverwechselbaren Subjektivität steht, die sich in jedem Individuum durch unbewusste Affekte, Triebe, Phantasien, Konflikte, Kompromissbildungen und durch die persönliche dynamische Geschichte herausbildet, und weil sie anerkennt, dass zwei Subjekte ihre Unverwechselbarkeit in das analytische Feld von Übertragung und Gegenübertragung einbringen, das sie in einer spezifischen kulturellen und analytischen Umwelt ebenfalls ko-kreieren, kann die intersubjektive Ich-Psychologie – die amerikanische Fusion von Ich-Psychologie und relationaler Psychoanalyse – Chodorow zufolge weiterhin wachsen. In diesem Kontext haben Elliot Adler und Janet Bachant eine wesentliche Grundlage der klassischen Technik, die psychoanalytische Situation, einer neuerlichen Untersuchung unterzogen und sie mit Blick auf basale Elemente der psychoanalytischen Bezogenheit definiert, die eine tiefgehende Erforschung menschlicher Motivation allererst ermöglichen (Adler & Bachant 1996). Die psychoanalytische Situation wird hier als „ein außergewöhnliches interpersonales Arrangement“ betrachtet, „das in zwei klar voneinander unterschiedenen, jedoch komplementären Weisen der Bezogenheit verankert ist: der freien Assoziation und der analytischen Neutralität“ (ebd., S. 1021). Die freie Assoziation wird beschrieben als ein Pol der „reziproken Rollenerfordernisse“ und als Voraussetzung dafür, dass die Freiheit, sich zu äußern, zu einer introspektiven Begegnung mit den tiefsten emotionalen Regungen „ im Kontext einer Interaktion mit einem anderen Menschen “ führen kann (ebd., S. 1025). Als Deutungsinstrument kommt ihr sogar größeres Gewicht zu als den theoretischen Wissensressourcen. Die Rolle des Analytikers verhält sich komplementär zu der des Patienten. Sie erfüllt die Funktion, die Äußerungsfreiheit zu schützen. So erweisen sich die psychoanalytische Situation und Technik als ein

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