Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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historische Beiträge Freuds, Kleins und Bions und erforscht, wie Patient und Analytiker gemeinsam Narrative unbewusster Konfigurationen kreieren, um mit deren Hilfe die psychische Lebensgeschichte des Patienten und seine traumatische Vergangenheit zu analysieren. In Browns System sind Wach- und nächtliche Träume von zentraler Bedeutung. Sowohl Grotstein (1999) als auch Brown (2011) begrüßen, dass die Gegenübertragung in Intersubjektivität transformiert wurde. Brown fügt hinzu: „Darüber hinaus ist Intersubjektivität ein Prozess der unbewussten Kommunikation , Rezeptivität und Bedeutungsstiftung, der in jedem Mitglied der Dyade abläuft, dem gemeinsam geteilten emotionalen Feld idiosynkratischen Sinn zuschreibt und mit einer analogen Funktion im Partner interagiert“ (Brown 2011, S. 7). Das hier verwendete Konzept des analytischen Feldes geht in erster Linie auf M. und W. Barangers Arbeit „The analytic situation as a dynamic field“ (2018 [1961]) zurück. Weil eine englische Übersetzung erst knapp 50 Jahre und eine deutsche knapp 60 Jahre nach der Originalveröffentlichung erschien, war diese fundamentale theoretische Neuerung dem Großteil der psychoanalytischen Community lange völlig unbekannt. Die Barangers beschrieben die unbewusste Phantasie des analytischen Paares und betonten den Beitrag, den projektive und introjektive Identifizierungen zu ihrer Struktur leisten. Über das Konzept einer solcherart ko-kreierten unbewussten Phantasie schrieben sie: „Sie ist etwas, das zwischen beiden entsteht, innerhalb der Einheit, die sie im Moment der Sitzung bilden, und das sich von Grund auf unterscheidet von dem, was jeder von ihnen in getrenntem Zustand ist“ (S. 755).

III. B. Spezifische Entwicklungen in Europa

III. Ba. Intersubjektivität in Gegenübertragung und projektiver Identifizierung Ein speziell relationaler Trend wird in der erweiterten Bedeutung erkennbar, die das Gegenübertragungskonzept und das Konzept der projektiven Identifizierung im Laufe vieler Jahrzehnte annahmen. Seit Paula Heimanns richtungsweisendem Beitrag (Heimann 1950) betrachtete man die Gegenübertragung nicht länger ausschließlich als eine auf die unbewussten Konflikte des Analytikers zurückzuführende Erschwernis des analytischen Prozesses, sondern in erster Linie als ein Instrument, um die mentalen Prozesse des Patienten zu verstehen. Was die projektive Identifizierung betrifft, so wurde sie ursprünglich als eine aggressive Maßnahme betrachtet, mittels deren sich der Patient von unerwünschten Erfahrungen befreit, indem er sie in ein Objekt projiziert und sie in ihm kontrolliert (Klein 1946). Bion entwickelte das Konzept der projektiven Identifizierung weiter, indem er den Kommunikationsaspekt betonte. Er unterscheidet zwischen „normaler“ und „exzessiver“ projektiver

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