Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Realisierung harrt. Wenn sich sensorische und emotionale Stimuli („Inhalte“) mit diesem adäquaten „Container“ paaren, werden sie in ein „Contained“ (♂) transformiert; auf diese Weise entsteht die „Container-Contained“-Beziehung, ein erster Entwicklungsschritt zu einem Gedanken, der vom Denkenden gedacht wird. Diese Container-Contained-Beziehung (♀♂) ermöglicht eine emotionale Erfahrung, die durch eine spezifische Verknüpfung charakterisiert ist, nämlich entweder durch L (Liebe), H (Hass) oder K (knowledge, Wissen, Gedanken). Zieht diese emotionale Erfahrung die Aufmerksamkeit des Bewusstseins auf sich, kann die Alpha-Funktion sie in Alpha-Elemente, die Monaden des psychischen Lebens, transformieren. Das Auftauchen von Gedanken forciert die Bildung eines Apparates, der mit ihnen umgehen – sie denken – kann. Diese Entwicklung setzt voraus, dass zwei Elemente zusammenkommen oder sich „paaren“, nämlich die Container-Contained- Beziehung (♀♂) und die dynamische Beziehung zwischen der paranoid-schizoiden und der depressiven Position (PS « D). Dies geschieht durch eine Inversion der Symbole (♂♀ statt ♀♂), mit anderen Worten, durch eine projektive Identifizierung. Das Container-Contained-Modell betrifft auch die Entstehung des Denkens als Faktor einer positiven (+K) bzw. negativen (-K) Entwicklung. In der ♀♂-Beziehung sind ♀ und ♂ zu beiderseitigem Vorteil und ohne Nachteile voneinander abhängig. Bion bezeichnete eine solche Verbindung 1962 als „kommensal“. So profitieren zum Beispiel Mutter, Kind und die psychische Entwicklung in einer +K-Verbindung voneinander (Lopez-Corvo 2002, S. 158). Das Kind introjiziert die Aktivität in der Dyade auf solche Weise, dass die ♀♂-Beziehung – die Container-Contained- Beziehung – in ihm selbst verankert wird, sich entwickeln kann und der Persönlichkeit die wachsende Komplexität und Kreativität ermöglicht, der sie im Laufe des Lebens bedarf, um auf die sich ihr stellenden psychischen Fragen zu reagieren. Bion (1990 [1962a]) benutzt das von Elliott Jaques (1960) beschriebene „integrierende Retikulum“, um ein Modell zu konstruieren, „in dem die Zwischenräume die Hüllen sind, und die Fäden, die die Maschen des Retikulums bilden, sind Emotionen“ (S. 149). Das Retikulum nimmt durch einen Prozess, der ein gewisses Maß an Toleranz für das Unbekannte (die sich bildenden Hüllen warten auf den Inhalt) voraussetzt, immer mehr ♂ - Inhalte - in sich auf. Andererseits setzt Lernen die ♀-Fähigkeit – die Fähigkeit des Containers – voraus, nicht Schaden zu nehmen, sondern sich elastisch zu verhalten wie der Uterus, der sich dem wachsenden Fötus anpasst (Sandler 2009). Als Bion 1970 in Attention and Interpretation auf das Konzept zurückblickte, verzichtete er auf seine frühere Formulierung der Container-Contained- Verknüpfungen (L, H und K). Um die Beziehung zwischen dem Container und dem, was er enthält, hervorzuheben, schlug er die Bezeichnungen kommensal , symbiotisch und parasitär vor: „Als ‚kommensal‘ bezeichne ich eine Beziehung, in der zwei Objekte ein drittes miteinander teilen, und zwar zum Vorteil aller drei“ (Bion 2006 [1970], S. 110). Ein drittes Objekt wären zum Beispiel grundlegende Elemente der Kultur, der Container

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