Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Rahmen des post-freudianischen konzeptuellen Netzwerks beschrieben werden, z.B. die “Regression im Dienste des Ichs” (Kris 1952). Die Anti-Alpha-Funktion beschreibt auch die defensive eingesetzte Intellektualisierug und Bagatellisierung zur Abwehr authentischer und psychisch unlustvoller Erfahrungen.]

V. VERWANDTE KONZEPTE

Das Container-Contained-Modell entstand parallel zu anderen „räumlichen“ Konzepten der Psyche, die auf die Internalisierung einer mütterlichen Funktion als Voraussetzung für die Entwicklung der Fähigkeit zu denken, zu symbolisieren und zu mentalisieren, abheben. Containment ist nicht gleichbedeutend mit Holding (Winnicott 1960). D. W. Winnicotts Konzept des Holding/des Haltens beschreibt ebenso wie das Containment- Konzept, dass der Säugling nicht getrennt von seiner Mutter verstanden werden kann und dass die Internalisierung einer „haltenden“ Funktion der Mutter für die psychische Entwicklung unverzichtbar ist. Gleichwohl ist „Holding“ ein breiterer Begriff, denn er bezeichnet sowohl eine erhöhte psychische Sensibilität gegenüber den Bedürfnissen des Säuglings als auch das körperliche Halten und die gesamte Versorgung durch die Umwelt (Winnicott 1960). „Containment“ hingegen impliziert eine aktivere intrapsychische Beteiligung seitens des Objekts, die in höherem Maße von dessen Persönlichkeit abhängt. Mit geringfügigen Unterschieden haben Esther Bick (1968), Donald Meltzer (1975) und einige Jahre später auch Didier Anzieu (1989) die Entwicklung eines Haut- Ichs konzeptualisiert, das eine containende Funktion wahrnimmt. André Green (1999) wiederum beschrieb eine negative Halluzination der mütterlichen Funktion als Voraussetzung für die Erschaffung eines inneren Raumes, in dem Symbolisierung möglich wird. Diese Konzeptualisierungen unterscheiden sich von Bions Container- Contained-Modell insofern, als sie die Aufmerksamkeit auch auf Zustände, in denen noch kein psychischer Raum erschlossen werden konnte, sowie auf andere (der projektiven Identifizierung vorausgehende) primitive Beziehungsmodi lenken, zum Beispiel auf die primäre und die adhäsive Identifizierung. In der zeitgenössischen Psychoanalyse legt Ofra Eshel (2019) ihre umfassende Erfahrung mit einem evokativen Zugang dar, der zwei wegweisende Konzepte Bions (Container-Contained und Einssein mit O) mit Winnicotts Überlegungen zum grundlegenden Sein verbindet. Durch ihre Fähigkeit, für das Ungekannte und das Undenkbare radikal offen zu sein, verändert die Analytikerin die Fähigkeit des Analysanden, Erfahrungen, die er selbst nicht zu ertragen vermochte, zu containen.

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