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Masochismus . Er versteht Lebens- und Todestrieb nicht als Elementarkräfte, sondern als Ergebnis von Erfahrungen, die im Verlaufe der Strukturierung der Psyche internalisiert werden. In Bezug auf die Nationen, die man in Anlehnung an Freud als Analogon zum neurotischen Individuum interpretieren kann, erörtert Garma sein Verständnis der Kräfte von Eros und Thanatos wie folgt: „Einige der Reaktionen auf frühere Erfahrungen, die sich in den gegenwärtigen Reaktionen erhalten haben, drängen die Nationen in Richtung Fortschritt und Wohlergehen, während andere destruktiver wirken und Leiden verursachen. Deshalb lässt sich in einer psychoanalytischen Theorie vereinfachend sagen, dass es in Nationen progressive, vitale Tendenzen oder Impulse gibt und andererseits regressive, selbstdestruktive oder tödliche Strebungen“ (Garma 1978, S. 47). An anderer Stelle konstatiert Garma, dass die „pathologischen Verhaltensweisen […] inneren Verfolgern gehorchen und aus Aggressionen resultieren, die gegen internalisierte verfolgende Objekte gerichtet sind […] Diese wenden sich in erster Linie gegen die Genitalität. Solche inneren verfolgenden Objekte wiederum resultieren aus der Unterwerfung unter ihre gegenwärtigen, kindhaften und angeborenen Umstände, die schädlich sind und waren“ (Garma 1974, S. 169). Wenn das Über-Ich als eine Ansammlung verfolgender, die Genitalität des Subjekts angreifender Objekte konzeptualisiert wird, der ödipale Konflikt zentrale Bedeutung besitzt und der Todestrieb zudem als Ergebnis der Internalisierung destruktiver Erfahrungen verstanden wird, dann ist das Über-Ich ein integraler Bestandteil des Todestriebs. Folglich sieht Garma im Masochismus das grundlegende Element der Neurosogenese. IV. B. Arnaldo Rascovsky Arnaldo Rascovsky erweiterte diese Konzeptualisierung, indem er den Ursprung allen psychopathologischen Verhaltens im Bereich der kindsmörderischen Tendenzen der Eltern verortete. Infolgedessen ergibt sich das Verständnis der Psychopathologie aus dem Verständnis des Kindesmordes, definiert als „[…] alle elterlichen Verhaltensweisen, die die psychosomatische Integration des Kindes schädigen. Wir fassen sie unter folgenden Bezeichnungen zusammen: Mord, Verstümmelung, Entwertung, Misshandlung, Vernachlässigung und Verlassen“ (Rascovsky 1974, S. 316). Dieses kindsmörderische Verhalten setzt sich in der Beziehung des Ichs zum Über-Ich fort. Die vatermörderischen Strebungen sind den kindsmörderischen nachgeordnet und gehorchen dem Mechanismus der Identifizierung mit dem Angreifer (Rascovsky 1974, S. 314). Rascovsky spürt das Motiv des Kindesmordes in den Mythologien verschiedener Völker und in der Bibel auf, die er als Grundlage der monotheistischen Gottesvorstellung und des soziokulturellen Prozesses untersuchte (Rascovsky 1981).
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