Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Intersubjektivität, weil der Analytiker an der Hervorbringung dessen, was zwischen den Beteiligten passiert, mitbeteiligt ist. • Enactment als jede dramatische Äußerung einer übertragungs- und/oder gegenübertragungsbedingten Unterbrechung des flüssigen analytischen, containenden Austausches (Ellman 2007), die unter Umständen nicht auf die psychoanalytische Situation beschränkt bleibt (Chused, Ellman, Renik, Rothstein 1999) und nonverbal oder verbal kommuniziert werden kann (siehe „Enactment in Form einer Deutung“ – „interpretative enactment“ – von Steiner, 2006a, unten). In Lateinamerika wurde diese konzeptuelle Vielfalt durch historische Einflüsse reduziert, die von Autoren wie Racker (1948, 1988), Grinberg (1957, 1962) sowie Baranger und Baranger (1961-62) und von den aktuellen Untersuchungen Cassorlas (2001, 2005, 2009, 2012, 2013, 2015), Sapisochins (2007, 2013) und anderer ausgingen. • Das in Lateinamerika vorherrschende moderne Verständnis des Enactments betrifft Situationen, in denen das analytische Feld unter die Herrschaft von Abreaktionen und/oder Verhaltensweisen sowohl des Patienten als auch des Analytikers gerät. Enactments entwickeln sich, wenn beide im anderen Gefühle hervorrufen, ohne sich dessen, was geschieht, klar bewusst zu sein. Diese Enactments hängen mit Situationen zusammen, in denen die verbale Symbolisierung beeinträchtigt ist; stehen Worte zur Verfügung, werden sie auf begrenzte und konkretistische Weise benutzt. Enactments sind eine Möglichkeit, sich durch Verhaltensweisen und Gefühle, die zu Abwehrorganisationen gehören, an frühe Beziehungen zu erinnern. (Siehe unten zu den Unterschieden zwischen chronischen und akuten Enactments.) Die europäische Verwendung des Begriffs steht dem lateinamerikanischen Konzept näher als dem nordamerikanischen, weil sie fast ausschließlich auf die analytische Sitzung beschränkt bleibt. Manche europäische Analytiker weichen insofern von der lateinamerikanischen Konzeption ab, als sie das Enactment weniger als eine gemeinsame Hervorbringung von Patient und Analytiker betrachten denn als Ergebnis ihrer Interaktion. Recht häufig werden Enactments als Teil der Gegenübertragung oder des Agierens verstanden. • Zum Beispiel betrifft Steiners (2006a) Konzept der „Deutung als Enactment“ die verbale Kommunikation des Analytikers. Der springende Punkt ist, dass dieser zwar eine Deutung anbietet, mit seinen Worten aber seine Gegenübertragungsgefühle und -einstellungen zum Ausdruck bringt. Was die psychoanalytische Deutung von Enactments anlangt, so ist man sich in allen drei psychoanalytischen Kulturen ungeachtet der Formulierung der zugrundeliegenden Prozesse und Inhalte weitgehend einig, dass Enactments, weil sie mit der psychoanalytischen Situation zusammenhängen, unter dem Gesichtspunkt der

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