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dem Kind ermöglicht, die gegensätzlichen Imagines guter und böser Objekte sowie eines guten und eines bösen Selbst zu integrieren. Die Aggression wiederum ist der Getrenntheit und der Differenzierung von Selbst- und Objektimagines zuträglich. Ein Übermaß an Aggression kann den Prozess allerdings entgleisen lassen. Jacobson erläutert, dass die Integration guter und böser Imagines (d.h. der „guten“ und der „frustrierenden“ Mutter) die Fähigkeit fördert, widersprüchliche Gefühlszustände zu tolerieren; dies wiederum kommt der Fähigkeit zugute, vielschichtige emotionale und interpersonale Erfahrungen zu durchleben. In ihrem wegweisenden Buch „Das Selbst und die Welt der Objekte“ (Jacobson 1978 [1964]) integrierte Jacobson die klassische metapsychologische Theorie mit der Phänomenologie menschlicher Erfahrung. Sie behauptete, dass die Triebe keine „Gegebenheiten“ seien, sondern „angeborene Potentiale“, die durch innere Reifungsprozesse, aber auch durch Umweltfaktoren geformt werden. Die „repräsentationale Welt“ (Sandler und Rosenblatt 1962) baut sich demnach auf aus dem Selbsterleben des Kindes in seiner Umwelt, dessen Grundlage wiederum das angeborene psycho-biologische Substrat bildet. Jacobson zufolge erwirbt das Kleinkind Selbst- und Objektrepräsentanzen mit liebevoller bzw. aggressiver Wertigkeit – je nach den Erfahrungen, die es mit der Gratifikation und Frustration durch seine Mutter macht. Jacobsons Begriff der Repräsentanz bezeichnet den Niederschlag innerer und äußerer Erfahrungwelten. Sie verstand die Selbstrepräsentanzen als komplexe Strukturen einschließlich „der unbewußten, vorbewußten und bewußten intrapsychischen Repräsentanzen des körperlichen und seelischen Selbst im System Ich“ (Jacobson 1973 [1964], S. 30). Jacobsons Formulierungen liefern einen theoretischen Hintergrund für Margaret Mahlers (1979) Erforschung autistischer und symbiotischer Kindheitspsychosen sowie für die Stadien der normalen wie auch anomalen Entwicklung von Separation und Individuation. Margaret Mahler: Das Selbst in der Theorie der Separation-Individuation Mahler dokumentiert sowohl Ergebnisse direkter Beobachtungen als auch psychoanalytisches Material, das die von Jacobson postulierten Stadien illustriert. Ihr Interesse an der frühen Entwicklung des Kindes leitete sich ursprünglich aus ihren Untersuchungen schwerer Kindheitspsychopathologien, nämlich des Autismus und der symbiotischen Psychose, her. Diese Störungen hatten ihr eine extreme Unfähigkeit des Kindes vor Augen geführt, eine nährende, unterstützende Beziehung zu Betreuungspersonen aufzunehmen (Mahler, Ross und DeFries 1949; Mahler 1952; Mahler und Gosliner 1955). Dies veranlasste sie, eine Theorie der normativen Kinderentwicklung zu formulieren, in der die Objektbeziehungen und das Selbst aus den Triebschicksalen hervorgehen (siehe auch den Eintrag OBJEKTBEZIEHUNGSTHEORIEN). Wenngleich Mahlers Organisationsprinzipien
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