Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Phantasie beschreibt (Greenberg und Mitchell 1983). Mit ihrer Verwendung von Hartmanns Konzepten der „durchschnittlich zu erwartenden“ Außenweltbedingungen und der Anpassung (Hartmann 1939) „gab sie dem Triebmodell eine Richtung, die der Beziehung zur/zum Anderen implizit einen zentraleren Explanationswert einräumte“ (Greenberg und Mitchell 1983, S. 282). Um die „durchschnittlich zu erwartende“ Umwelt zu spezifizieren, berief sich Mahler wiederholt auf Winnicotts Konzept der „durchschnittlich hingebungsvollen Mutter“ (Mahler 1961; Mahler und Furer 1968; Winnicott 1960). Auf diese Weise setzte sie die frühe Umwelt des Kindes mit der spezifischen Person der Mutter in eins. Die moderne Theorie der Separation-Individuation bezieht die reale Mutter und ihr Kind ebenso mit ein wie die Konzepte der Internalisierung und der psychischen Repräsentation. Sie setzt die analytisch orientierte Beobachtung zu intrapsychischen, entwicklungsbedingten Veränderungen in Beziehung: „Die intrapsychischen Veränderungen können eine Verschiebung der Ich-Grenzen betreffen, die Differenzierung von Selbst- und Objektrepräsentationen, die Kohärenz oder die Spaltung dieser Repräsentationen und den Erwerb der Objektkonstanz. Beide Partner der Dyade müssen Berücksichtigung finden“ (Blum 2004, S. 551). Harold P. Blums moderne Modifizierung und Neuformulierung trägt den Funden der späteren Entwicklungsforschung (Stern 1985; Pine 1986; Bergman 1999; Gergely 2000; Fonagy 2000) Rechnung. Seine Modifizierung betrifft die symbiotische Phase, aber auch den Prozess der Separation-Individuation, und widmet der Differenzierung und Wiederannäherung besondere Aufmerksamkeit. Blum betont, dass die „Differenzierung [des Neugeborenen] dem Auftauchen einer intrapsychischen Selbst- und Objektrepräsentation vorausgeht“ (Blum, 2004, S. 541). Unter einem anderen Blickwinkel betrachtet, enthält die von Jacobson und Mahler (Mahler 1979) entwickelte Strukturtheorie „ein reiches und differenziertes Entwicklungskonzept des Selbst, eine zeitgenössische Weiterentwicklung der dualen Aspekte des Freud’schen Ichs“ (Kernberg 1982, S. 900). Im Kontext der klinischen Arbeit trugen Jacobsons ebenso wie Mahlers Fokussierung auf Selbst- und Objektrepräsentationen zu weiteren Entwicklungen in dem großen Bereich der repräsentationalen Prozesse und der „Repräsentierbarkeit“ von vorerst noch nicht repräsentierten Enactments bei [siehe den Eintrag ENACTMENT]. Hans Loewald zählte zu den freudianischen Revisionisten der 1960er, 1970er und 1980er Jahre. Er verband die freudianische Ich-Psychologie mit der Objektbeziehungstheorie, um ein psychoanalytisches Model zu erarbeiten, dass die Art und Weise, wie das Individuum die Welt erlebt, angemessener widerspiegelt. Dabei unterzog er die Grundannahmen des psychoanalytischen Theoriegebäudes einer kritischen Untersuchung und hinterfragte die hergebrachten Auffassungen über das Wesen von Psyche/Geist, über die Realität und über den analytischen Prozess. Loewald (1986 [1960]) nahm an, dass Freud zwei unterschiedliche Sichtweisen der Triebe entwickelt habe. In Freuds Theorie vor 1920, so Loewald, strebten die Triebe

640

Made with FlippingBook - Online magazine maker