Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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(griechisch für Er) bezeichnet. Dabei handelt es sich um das selbst-reorganisierende Instrument, das sich in der Herstellung von Symbolen zu erkennen gibt, in der symbolisch-poetischen Fähigkeit, die die Quelle all dieser komplexen Vorgänge ist, die das Individuum einerseits mit seinen eigenen originären Matrizen und andererseits mit seinem eigenen Werden verbindet. Autos erhält das Selbst im Zustand eines permanent instabilen Gleichgewichts zwischen der konservativen Dimension und der transformativen Dimension und entwickelt sich so von einer Heteronomie (Unterwerfung unter das Gesetz des Anderen) zur Autonomie (der Konstruktion des Symbols, das zum Zentrum der Artikulation seines eigenen Gesetzes wird). Stefano Bolognini (1991) hat eine Theorie des Selbst entwickelt, die auf die Patient-Analytiker-Dyade fokussiert. Bolognini betont die Unterschiede zwischen den Begriffen „Ich“ [Ego] und „Selbst“ [Self]. Das Ich ist laut Laplanche und Pontalis (1973 [1967]) definiert als (1) Kern des Bewusstseins und Bündelung aktiver psychischer Funktionen; (2) Organisator der Abwehrmechanismen; (3) Instanz, die zwischen äußerer Realität, Es und Über-Ich vermittelt. Das „Selbst“ ist die Ansammlung an Repräsentationen, welche die Person selbst als (potentielles oder tatsächliches) Objekt ihrer eigenen subjektiven Erfahrung betreffen. Anders als Ich, Es und Über-Ich, die wir uns als dynamische Komponenten des psychischen Apparates vorzustellen haben, ist das Selbst – ebenso wie auch die Objektrepräsentationen – ein Inhalt des Apparates. Als eine in der Zeit kontinuierliche Einheit ist das Selbst als innere Struktur der Psyche konfiguriert, in der es allerdings auf komplexe Weise lokalisiert ist: Unterschiedliche und häufig konfligierende Selbstrepräsentationen sind im Ich, im Es und im Über-Ich verteilt (Kohut 1971). Dementsprechend ist das Selbst teils bewusst, teils unbewusst. Bolognini arbeitet mit einem Modell des Zusammenspiels von Ich und Selbst in der Patient-Analytiker-Dyade und untersucht vier Kombinationen: (1) Der Kontakt zwischen dem Ich des Analytikers und dem Ich des Patienten, in dem sich das psychische Leben des Patienten teilweise auf einer bewussten Ebene mitteilt. Das Ziel der Beziehung besteht darin, dem Patienten quasi eine geographische Karte im übertragenen Sinn zur Verfügung zu stellen, die ihm Einsichten in und neue Blickwinkel auf sich selbst ermöglicht. Das Paar begibt sich nicht in die innere Welt hinein; der Oberflächenraum wird erforscht, und dies kann eine aufschlussreiche und erklärende Art der Arbeit in der Analyse sein. (2) Der Kontakt zwischen dem Ich des Analytikers und dem Selbst des Patienten: Hier kann der Analytiker sich in Situationen, in denen der Patient für einen tiefergehenden und umfassenderen Austausch zugänglich ist, in einem relativ stabilen Zustand der vorbewussten Rezeptivität organisieren, während er gleichzeitig sein eigenes erfahrungsgestütztes Gravitationszentrum im bewussten Ich behält. Der Analytiker kann auch projektive Intrusionen des Patienten wahrnehmen, sie als Elemente des Nicht-Selbst erkennen und sie, indem er dynamische Hypothesen formuliert, an dessen innere Prozesse – einschließlich umfangreicher Szenarien aus seinem traumähnlichen Leben – zurückgeben. (3) Der Kontakt zwischen dem Ich-Selbst des Analytikers und dem Ich des Patienten. Hier nutzt der Analytiker die Resonanz seines eigenen Selbst, um die vergleichsweise unterentwickelten oder

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