Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Solche frühen Repräsentationen entsprechen dem von Aulagnier (1975) beschriebenen Piktogram, das der primären Phantasiebildung vorausgehen kann, aber nicht außerhalb des Bereichs der Repräsentation gebildet wird. Das Piktogram ist die erste Repräsentation und wird durch die allererste psychische Aktivität ermöglicht. Es spiegelt sowohl die Aktivität als auch die Aktivierung wider und schließt – ein wichtiger Aspekt – dieAndere/den Anderen mit ein. Damit begibt sich Gammelgaard erneut auf das Terrain der französischen Psychoanalyse: Das Piktogram als Illusion gehört zum „Ich“, dem „I“ oder „Me“, das in der Psyche als eine nie verstandene „rätselhafte Botschaft“ der/des Anderen (Laplanche 1997; Gammelgaard 2003, S. 107) existiert. VI. D. Das Selbst in der Psychoanalyse von Kindern und Adoleszenten Auch wenn zahlreiche Beiträge der nordamerikanischen und europäischen Autoren explizit oder implizit entwicklungspsychologisch orientiert sind, werden Psychoanalysen von Kindern Jugendlichen, deren Durchführung sich direkt auf Aspekte der Forschung und Theorie Margaret Mahlers und Daniel Sterns stützt, vor allem in Europa häufig als eine spezifische Kategorie verstanden, die weitere Ausformulierungen der Theorien des Selbst ermöglicht. Umgekehrt wirken die klinische Theorie und die klinische Arbeit von Kinder- und Jugendlichenanalytikern als Impetus für die allgemeine Entwicklung des Konzepts, indem sie zu weiteren empirischen Studien und interdisziplinärer Forschung anregen, die für die auf alle Altersgruppen anwendbaren klinischen Konzeptualisierungen von Belang sind. VI. Da. Die Säuglingsforschung als Hintergrund in Nordamerika und Europa René Spitz’ (1945, 1965, 1972) Studien über langfristige Trennungen hospitalisierter Säuglinge und Kleinkinder von ihren Müttern haben Mahlers Theorie der Separation-Individuation maßgeblich beeinflusst. Spitz war im Übrigen auch der erste, der die entscheidende Bedeutung des liebevollen „Haltens“ betonte, weil es die taktile und affektive nonverbale Kommunikation zwischen den Kindern und ihren Bezugspersonen fördert. Fortgeführt wurde diese Tradition von Mahler (Mahler, Pine und Bergman 1975) im ich-psychologischen/strukturtheoretischen Bezugsrahmen, von Beebe mit ihrer auf die Selbstregulation und die interaktive Regulation fokussierenden Säuglingsforschung (Beebe und Lachmann 2002; Beebe 2004a, 2004b) und von der Boston Change Process Study Group (Stern, Sander, Nahum et al. 1998) im Bezugsrahmen der Selbsttheorien und relationalen Theorien. Anknüpfend an Bowlby (1969), der in England wirkte, entwickelte Mary Ainsworth die moderne Bindungstheorie in den USA (Ainsworth, Blehar, Waters et al. 1978). Bindung ist demnach definiert als ein affektives Band zwischen dem

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