Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Säugling/Kleinkind und einer Bezugsperson (Blum 2004) sowie als behaviorale Entsprechung der unter dem Einfluss der frühen Mutter-Kind-Beziehung internalisierten Objektbeziehungen (Diamond &Blatt 2007). Die oben genannten und weitere, vergleichbare Studien, die in Europa auf dem Gebiet der Säuglings- und der Bindungsforschung durchgeführt wurden (D. N. Stern 1985; Trevarthen, 2001; Fonagy, Gergely, Jurist und Target 2004 [2002]; Ammaniti und Trentini 2009; Cortina und Liotti 2010), bestätigen übereinstimmend, dass sich die Persönlichkeit gemäß den Beziehungen zwischen Selbst und Anderer organisiert und die Interaktion zwischen zwei Subjekten die notwendige Voraussetzung nicht allein für die psychische Entwicklung, sondern auch für die psychotherapeutische Arbeit ist (s. die Einträge OBJEKTBEZIEHUNGSTHEORIEN, INTERSUBJEKTIVITÄT). Neurowissenschaftliche Entwicklungsstudien lassen eine „virtuelle Andere“ im Gehirn vermuten, deren Konturen durch die Erfahrung ausgefüllt werden (Bråten 2011). Möglicherweise sind die Spiegelneuronen (Gallese, Eagle und Migone 2007) an einer solchen angeborenen „Interpersonalität“ beteiligt. Neuroanalytische Studien über die rechtshemisphärischen Strukturen und Aktivitäten, die an den unbewussten Prozessen des von Allan Schore (2011) beschriebenen „impliziten Selbst“ beteiligt sind, spielen dabei ebenfalls eine Rolle.

VI. Db. Mahler und Stern: Integration von Forschung und Theorie Margaret Mahler

Margaret Mahler kam als Emigrantin aus Wien nach New York, wo sie den größten Teil ihres Erwachsenenlebens verbrachte. Ihr Einfluss ist auf beiden Kontinenten, in Nordamerika wie auch in Europa, deutlich spürbar. Ihre Theorie der Loslösung/Separation und Individuation ging aus ihrer Arbeit und Forschung mit Kindern hervor, die unter schweren Pathologien – Autismus und „symbiotische Psychose“ – litten. Von unmittelbarer Relevanz für die kinderanalytische Arbeit ist Mahlers Konzept der symbiotischen Ursprünge des menschlichen Lebens. Demnach geht das Selbst aus den komplementären Prozessen von Separation und Individuation hervor, welche die internalisierten, von den inneren Objektrepräsentationen unterschiedenen Selbstrepräsentationen strukturieren. Die Phasen und Subphasen des Prozesses der Separation-Individuation umfassen eine der Loslösung vorausgehende Phase des Autismus und der Symbiose sowie die Phase der eigentlichen Separation und Individuation mit den Subphasen der Differenzierung oder des „Ausschlüpfens“, des Übens, der Wiederannäherung und des Erwerbs der Objektkonstanz (Näheres s. oben unter IV.B.).

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