Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Psyche-Körper-Welt, die die deskriptiv-referentielle Funktion der Sprache betont. Die dialogische Konzeption betont die Praktiken, die Durchlässigkeit der Beziehung zwischen Subjekten und die konstitutive Funktion der Sprache. Der Autor beschreibt vier Entwicklungen, die der Psychoanalyse nach seiner Ansicht die Konzeption eines dialogischen Selbst ermöglichten: Die erste setzt an der Konzipierung eines inneren und eines äußeren Raumes an und betont die Räume „dazwischen“. Die zweite räumt der Subjekt-Subjekt-Beziehung gegenüber der Subjekt-Objekt-Beziehung Priorität ein. Die dritte betont das Handeln und die Beziehungspraktiken gegenüber der Einsicht. Die vierte setzt bei realistischen oder positivistischen Perspektiven an und schreitet zu hermeneutischen und konstruktivistischen fort. Insgesamt gesehen, betonen Autoren, die mit einem Konzept des Selbst arbeiten, die Bedeutsamkeit von Beziehungen, Emotionen und Empathie. Sie plädieren für ein Verständnis, das wesentlich breiterer und umfassender ist als das ausschließlich auf die diskursive Produktion und auf den durch verbalen Diskurs erfolgenden Analytiker-Analysand-Austausch fokussierte Verstehen. Im klinischen Feld findet eine moderne Perspektive auf die unterschiedlichen Arten des Leidens im Selbstkonzept ein hilfreiches theoretisch-klinisches Instrument (Lerner 2013). Auf dem Gebiet der Forschung beschreibt Ricardo Bernardis „Modell der drei Ebenen der Beobachtung von Veränderungen des Patienten (3LM)“ (Bernardi 2015) auf der Ebene 2 die Wahrnehmung des eigenen Selbst und Anderer, die – mit Blick auf die Identität erfolgende – Beurteilung, wie gut es dem Patienten gelingt, seine eigenen inneren Zustände zutreffend zu erkennen, sowie seine Fähigkeit, sich empathisch einzufühlen und andere Blickwinkel zu tolerieren und zu verstehen. Angelehnt an die Oerationalized Psychodynamik Diagnosis (OPD 2) sieht das Modell vier Bereiche vor: (a) Selbst- und Fremdwahrnehmung, Mentalisieren, Identität; (b) Regulation von Affekten, Impulsen und Selbstwertgefühl; (c) innere und äußere Kommunikation, Elaboration, Symbolisierung und (d) Verbindungen mit inneren und äußeren Objekten. Das Konzept des Selbst war auch der Entwicklung von Überlegungen zur analytischen Ausbildung zuträglich, wie Cecilia Rodríguez (2016) in Mexiko zeigt. Sie erörtert das Risiko, ein „analytisches falsches Selbst“ zu entwickeln. Das Selbstkonzept wurde außerdem zur Konzeptualisierung interdisziplinärer Bedeutung von psychischer Gesundheit benutzt, und zwar in dem von Elena Toranzo und Alejandra Taborda (2017) in Argentinien herausgegebenen Sammelband “Psicoanálisis relacional. Espacios intersubjetivos e interdisciplinarios de creación de significados para la salud mental” [“Relationale Psychoanalyse. Intersubjektive und interdisziplinäre Räume zur Schaffung von Bedeutungen der psychischen Gesundheit” ) . Im Großen und Ganzen stehen diese Ansätze im Einklang mit Nemirovskys (2007, 2018) Betonung der Nowendigkeit, für die Untersuchung und Behandlung der klinischen Probleme unserer heutigen Zeit angemessene theoretische Instrumente zu

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