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Laut Strachey findet sich Freuds erste Erwähnung eines der theoretischen Ursprünge des Konzepts der freien Assoziation im folgenden Absatz aus dem Entwurf : “Es gibt offenbar andere Arten des Denkvorganges, denen nicht das uneigennützige Ziel des Erkennens , sondern ein anderes, praktisches vorschwebt. Der Erwartungszustand, von dem das Denken überhaupt ausgegangen [ist], ist ein Beispiel dieser zweiten Art des Denkens. Es wird hier eine Wunschbesetzung festgehalten und daneben eine zweite auftauchende Wahrnehmungsbesetzung unter Aufmerksamkeit verfolgt.” (Freud 1950c [1895], S. 466) Freuds Methode der freien Assoziation hat wiederum indirekten Einfluss auf spätere Formulierungen der gestaltpsychologischen und der systemischen Theorien kognitiver Prozesse ausgeübt. So vertreten Thomä und Kächele (1987) folgende Ansicht: “Da die [psychoanalytische] Therapie aus der Integration der Teile in ein Ganzes besteht, wobei die Elemente wie Puzzleteilchen zusammengefügt werden, waren die von Bernfeld (1934) definierten gestaltpsychologischen Prinzipien von Anfang an in [Freuds Konzeptualisierung des freien Assoziierens] enthalten” (S. 224). II. B. SIGMUND FREUD Ernest Jones bezeichnet die Erfindung der Methode der freien Assoziation als “ die erste der beiden großen wissenschaftlichen Leistungen Freuds, auf die später als zweite seine Selbstanalyse folgte, die ihm den Zugang zum infantilen Sexualleben und damit auch zum berühmten Ödipuskomplex erschloß” (Jones 1953 [1984], S. 286). Zvi Lothane unterscheidet in der Entwicklung des Konzepts vier aufeinanderfolgende Phasen: (a) die voranalytische von 1888 bis 1892; (b) die Jahre von 1893 bis 1895, die ganz im Zeichen der Freud’schen Beiträge zu den Studien über Hysterie stehen; (c) das Jahr 1900, charakterisiert durch seine zentrale Bedeutung für Die Traumdeutung ; und schließlich (d) die Phase von 1912 bis 1915, in der das Konzept eine Hauptrolle in Freuds behandlungstechnischen Schriften spielt (Lothane 2018). Abgesehen von den oben erläuterten direkten und indirekten Einflüssen hat Sigmund Freud die Methode der freien Assoziation als Grundlage der psychoanalytischen Technik nach und nach entwickelt, und zwar sowohl 1. in seiner klinischen Arbeit mit Patienten im Zusammenhang mit seiner Entdeckung und Erforschung der Dynamik des Widerstands als auch 2. durch die Analyse seiner eigenen Träume . Beide Entwicklungslinien demonstrierten, dass das Unbewusste einer Ordnung gehorcht und dass vermeintlich irrationale Träume und neurotische Symptome bedeutsam sind. In den Studien über Hysterie, verfasst ab 1893 (Freud [mit Breuer] 1950c [1895]), tauchte die freie Assoziation in rudimentärer Form aus den voranalytischen Methoden
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