Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Schwierigkeit kompensieren oder bislang schlummernden Konflikten eine traumatische Intensität verleihen kann (J. Novick und K. Novick 2001). Diesen Autoren zufolge dient das Konzept der Entwicklungstransformation als ein mehrschichtiges Gegenmodell zu der Auffassung, dass Erinnerungen an Latenz und Adoleszenz im Erwachsenenalter vorwiegend als defensiver Schutzschirm dienen (Novick und Novick 1994). In ähnlicher Weise hat auch Harold Blum (1994, 2008) Freuds Entwicklung seines Verständnisses von Trauma, Erinnerung, Repräsentationsprozessen und Pathogenese im Kontext analytischer Rekonstruktion revidiert und aktualisiert. Auf der Grundlage seiner Untersuchung der komplexen zeitlichen und kausalen Aspekte, die an der Transformation von Bedeutung und Funktion während der gesamten Entwicklung teilhaben, postuliert er das Konzept der Nachträglichkeit als einen Vorläufer des Konzepts der Entwicklungstransformation, der in dieser Eigenschaft keine Anerkennung gefunden hat. Die Fokussierung auf die Diskontinuität progressiver Organisationen und Reorganisationen, aus denen Entwicklungstransformationen des Triebs, des Affektlebens und der Erinnerungen, der Objektbeziehungen, des Ichs und des Selbst hervorgehen (A. Freud 1936; Neubauer 1996, 2003), die dann wiederum unterschiedliche innere Reorganisationen der Konflikte, Kompromissbildungen und unbewussten Phantasien (Brenner 1982; Kris 1988) anregen, hat klinische Implikationen für die analytische Arbeit mit erweiterten Patientenpopulationen und die Anerkennung unterschiedlicher Wege zur Förderung von Entwicklungstransformationen. Klinische Interventionen, die eine schlummernde Transformationsfähigkeit aktivieren können (Lament 2003; Olesker und Lament 2008) und als neue Plattform weiteren Wachstums dienen (Olesker 2011), können mit analytischer Konstruktion (Freud 1937) und Rekonstruktion der Bedeutung von Erinnerungen einhergehen. Dies kann eine Reorganisation zahlreicher Selbst- und Objektrepräsentationen nach sich ziehen (Blum 1994, 2019). Auf einer Basis von Sitzung zu Sitzung kann diese Konstruktions- und Rekonstruktionsarbeit laufende, fortgesetzte [„rolling“] metaphorische deutende Übersetzungen-Transformationen zwischen und von unterschiedlichen Erfahrungsbereichen erfordern – von präpsychischen, präsymbolischen Erfahrungsmodi (Handeln, somatosensorisch, viszeral) zu unbewusster Symbolik der Träume und schließlich zur vorbewussten Symbolik der Sprache; dies trifft sich möglicherweise mit Bions sowie Greens Konzeptualisierungen der Transformation (Grotstein 2014; Green 2006; Papiasvili 2016; Papiasvili und Mayers 2017). III. Bgab. Transformation des Selbst in der Selbstpsychologie Unter dem selbstpsychologischen Blickwinkel entwickelt sich das Selbst als Kern der Persönlichkeit im Kontext von Selbstobjekten, definiert als andere Menschen, die als Teil des Selbst erlebt werden und lebenswichtige Funktionen für das Selbst

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