Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

Verdrängung, wurden definiert und im Ich lokalisiert. Mithin war die Angst nicht länger Resultat der Abwehr, sondern wurde zu ihrem Motiv/Auslöser/Signal. Im Jahr 1923 verfasste Freud (1923a) für das Handwörterbuch der Sexualwissenschaften die beiden Artikel „Libidotheorie“ und „Psychoanalyse“, in denen er – abermals in der dritten Person schreibend – sowohl die freie Assoziation als auch die psychoanalytische Grundregel eingehend erklärte. Über die freie Assoziation lesen wir: “Der hypnotische Zustand hatte beim Patienten eine solche Erweiterung der Assoziationsfähigkeit zur Folge gehabt, daß er sofort den für sein bewußtes Nachdenken unzugänglichen Weg vom Symptom zu den mit ihm verknüpften Gedanken und Erinnerungen zu finden wußte.” (1923b, S. 214). Als Freud die Hypnose aufgab, mutmaßte er, durch entsprechendes Drängen auch von seinen nicht hypnotisierten Patienten solche Assoziationen zu erhalten. Später erkannte er, dass dieses Drängen gar nicht erforderlich war, denn den Patienten kamen ohnehin zahlreiche Einfälle. Gleichwohl tauchten gelegentliche „Einwendungen“ auf, die ihnen die Mitteilung bestimmter Gedanken unmöglich machten. Freud formulierte die – später von ihm selbst bestätigte – These, „daß alles, was dem Patienten zu einem gewissen Ausgangspunkt einfiele, auch in innerem Zusammenhang mit diesem stehen müsse” (S. 214). Daraus ergab sich für ihn die Technik, „den Patienten zum Verzicht auf alle seine kritischen Einstellungen zu erziehen und das dann zutage geförderte Material von Einfällen zur Aufdeckung der gesuchten Zusammenhänge zu verwerten“ (1923b, S. 214). Der Abschnitt „Freie Assoziation“ schließt mit der Aussage: “Ein starkes Zutrauen zur Strenge der Determinierung im Seelischen war sicherlich an der Wendung zu dieser Technik, welche die Hypnose ersetzen sollte, beteiligt.” (S. 214) Im folgenden Abschnitt desselben Artikels heißt es, dass die Methode der "freien Assoziation" die "technische Grundregel" der psychoanalytischen Arbeit sei. Einmal mehr wiederholt Freud, was er bereits in früheren Schriften dargelegt hatte: “Man leitet die Behandlung ein, indem man den Patienten auffordert, sich in die Lage eines aufmerksamen und leidenschaftslosen Selbstbeobachters zu versetzen, immer nur die Oberfläche seines Bewußtseins abzulesen und einerseits sich die vollste Aufrichtigkeit zur Pflicht zu machen, anderseits keinen Einfall von der Mitteilung auszuschließen, auch wenn man 1) ihn allzu unangenehm empfinden sollte, oder wenn man 2) urteilen müßte, er sei unsinnig, 3) allzu unwichtig, 4) gehöre nicht zu dem, was man suche. Es zeigt sich regelmäßig, daß gerade Einfälle, welche die letzterwähnten Ausstellungen hervorrufen, für die Auffindung des Vergessenen von besonderem Wert sind”. (S. 214f.) In seiner Formulierung der Methode der freien Assoziation in “Kurzer Abriß der Psychoanalyse” betont Freud (1924f; wiederum in der dritten Person verfasst), dass der Zugang zum Unbewussten das Lesen der bewussten Oberfläche voraussetzt.

90

Made with FlippingBook - Online magazine maker