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beeinflusst von den aufkommenden Objektbeziehungstheorien, gab das Konzept des „ Feldes “ seinen vielbeachteten Einstand in der Diskussion über die Gegenübertragung. Psychoanalytiker, die sich auf die Phänomenologie Maurice Merleau-Pontys (1945) und auf die europäisch-nordamerikanische sozio-psychologische Neo-Gestalttheorie des dynamischen Feldes von Kurt Lewin (1947) stützten, machten sich (vor allem in Lateinamerika und Italien, etwas weniger intensiv auch in den USA) diese Perspektive zunutze, um das analytische Setting oder die analytische Situation als ein integriertes Ganzes zu untersuchen; alle Aspekte dieser Situation sind demnach ausnahmslos in allen anderen enthalten. In diesem System ist die Gegenübertragung ein unvermeidlicher Aspekt des Erfahrungsnetzes einer psychoanalytischen Behandlung. Zu den bedeutendsten Verfechtern dieses Verständnisses der Gegenübertragung zählen die argentinischen Analytiker Willy und Madeleine Baranger. Sie stellen den analytischen Prozess als ein evolvierendes bipersonales Feld dar, das durch das Setting gerahmt wird, aber aus zwei Interagierenden besteht, die einander zwangsläufig, wenngleich subtil, beeinflussen. Der psychoanalytische Prozess ist eine „gemeinsame Hervorbringung“ , der die Übertragung und gleichermaßen die Gegenübertragung als Quelle dienen. Dieses Sichtweise, dass das Übertragungs- Gegenübertragungsgeschehen aus dem dynamischen Feld auftaucht, welches eine „ Bastion “ erschaffen kann (Baranger und Baranger 2008/1961), positioniert den Analytiker und den Analysanden in einer Sackgasse und einer neuen Hervorbringung . Die Struktur des Feldes wird „konstituiert durch das Zusammenspiel der projektiven und introjektiven Identifizierungs- und Gegenidentifizierungsprozesse, die mit ihren unterschiedlichen Grenzen, Funktionen und Eigenschaften im Patienten und im Analytiker aktiv sind“ (ebd., S. 809). In Brasilien entwickelte Roosevelt Cassorla (2013) die moderne Konzeption akuter und chronischer Enactments , eines gemeinsamen, der Abfuhr dienenden Verhaltens des analytischen Paares, das in das analytische Feld eindringt und die Situationen zurückspiegelt, in denen die verbale Symbolisierung beeinträchtigt war. Solche neueren lateinamerikanischen Sichtweisen der Gegenübertragung wurzeln in der Arbeit und Tradition der Barangers und Blegers (1967), die sich parallel zu und in Interaktion mit Racker (1968) und Grinberg (1968) und häufig mit lacanianischen Akzentuierungen (de Bernardi 2000; Cassorla 2013) herausbildeten. Die Theorie des analytischen Feldes wurde sowohl in Europa als auch in Nordamerika weiterentwickelt. In den USA formulierte Donnel B. Stern (1997) eine eigene Feldtheorie in der interpersonalen Perspektive . Einer der wichtigsten Hauptvertreter der Feldtheorie in Europa ist Antonino Ferro, der sie mit bionianischen Konzepten engführte . Zusammen mit Basile (Ferro und Basile 2008) versteht er das Feld als einen Treffpunkt der multiplen Charaktere des Patienten wie auch des Analytikers, die allesamt, quasi wie auf der Bühne, ein Eigenleben führen. Diese Autoren fokussieren auf die Narration der Welten, die in jeder einzelnen Analysestunde auftauchen. Sie identifizieren eine Reihe unterschiedlicher Gegenübertragungsebenen : „Die Unterschiede beruhen auf den Modalitäten, die das Feld aufweist und benutzt, um seine eigenen Spannungen zu modulieren“ (Ferro und Basile 2008, S. 3).
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