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Wahrscheinlich infolge der hohen Konfliktspannung zwischen seinem Über-Ich und seinem Es ist sein Ich wachsamer, dessen Isolierungen schärfer.“ (S. 151f.) Obwohl Freud dank seiner klinischen Brillanz erkannte, dass Widerstände gegen die freie Assoziation unvermeidliche, notwendige und sogar hilfreiche Bestandteile des psychoanalytischen Prozesses sind, blieb es der nächsten Generation, den post-freudianischen Denkern, vorbehalten, zu einem tieferen Verständnis des im Durcharbeiten der Widerstände enthaltenen klinischen Potenzials zu gelangen (Gray 1982; Kris 1982; Busch 2009). Folgende Aussage Freuds (1926d) aus dem Jahr 1926 ist im Grunde eine Erweiterung der behandlungstechnischen Beiträge von 1914: “Wir machen den Widerstand bewußt, wo er, wie so häufig, infolge des Zusammenhanges mit dem Verdrängten selbst unbewußt ist; wir setzen ihm logische Argumente entgegen, wenn oder nachdem er bewußt geworden ist, versprechen dem Ich Nutzen und Prämien, wenn es auf den Widerstand verzichtet. […] Wir machen die Erfahrung, daß das Ich noch immer Schwierigkeiten findet, die Verdrängungen rückgängig zu machen, auch nachdem es den Vorsatz gefaßt hat, seine Widerstände aufzugeben, und haben die Phase anstrengender Bemühung, die nach solchem löblichen Vorsatz folgt, als die des ‚Durcharbeitens‘ bezeichnet. […] Es kann kaum anders sein, als daß nach Aufhebung des Ichwiderstandes noch die Macht des Wiederholungszwanges, die Anziehung der unbewußten Vorbilder auf den verdrängten Triebvorgang, zu überwinden ist“ (S. 191f.). Am 7. Februar 1931 charakterisierte Freud die freie Assoziation in einem Brief an Stefan Zweig als “die bedeutsamste Neuerung der Psychoanalyse […], der methodische Schlüssel zu den Ergebnissen der Analyse” (Freud 1960a [1873-1939], S. 421). In seiner “ Selbstdarstellung ” schildert Freud (1925d), wie er die ursprüngliche Methode, den Widerstand des Patienten durch Drängen und Zusichern zu überwinden, aufgab, und beschreibt ein Beispiel für die Anleitung zum freien Assoziieren: “Die zuerst geübte Überwindung des Widerstandes […] wurde also von einer anderen Methode abgelöst, welche in gewissem Sinne ihr Gegensatz war. Anstatt den Patienten anzutreiben, etwas zu einem bestimmten Thema zu sagen, forderte man ihn jetzt auf, sich der freien ‘Assoziation’ zu überlassen, d. h. zu sagen, was immer ihm in den Sinn kam, wenn er sich jeder bewußten Zielvorstellung enthielt. Nur mußte er sich dazu verpflichten, auch wirklich alles mitzuteilen, was ihm seine Selbstwahrnehmung ergab, und den kritischen Einwendungen nicht nachzugeben” (S. 65). Während Freud (1923a) den unfreien Charakter der sogenannten freien Assoziation auf die Determinierung psychischer Phänomene zurückgeführt hatte, betonte er in den Folgejahren mehr und mehr den Einfluss der analytischen Situation an sich und somit die Bedeutsamkeit der Übertragung:
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