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“Allein man muß bedenken, daß die freie Assoziation nicht wirklich frei ist. Der Patient bleibt unter dem Einfluß der analytischen Situation, auch wenn er seine Denktätigkeit nicht auf ein bestimmtes Thema richtet” (1925d, S. 66). Freud fügt hinzu, dass die Methode der freien Assoziation dem Analytiker nicht nur Arbeit erspart, sondern gegenüber dem vorangegangenen Verfahren noch weitere Vorteile hat. Der Analytiker übt weniger Druck aus, der unmittelbare Kontakt zur Situation geht ihm nicht verloren, und es kommt auch nicht zu störenden Einmischungen durch seine eigenen Erwartungen: “Man überläßt es bei ihr [der Mathode der freien Assoziation] wesentlich dem Patienten, den Gang der Analyse und die Anordnung des Stoffes zu bestimmen” (1925d, S. 67). Darüber hinaus untersuchte Freud (1937d) mit speziellem Blick auf die psychische Realität die Bedeutsamkeit affektiv besetzter freier Assoziationen nicht nur für die Formulierung von Deutungen, sondern auch in Reaktion auf komplexe analytische Rekonstruktionen und/oder Konstruktionen. Im Abriß der Psychoanalyse (Freud 1940a [1938]) beschrieb er die Grundregel als eines der strukturgebenden Elemente der analytischen Situation im Kontext eines „analytischen Vertrags“ der Zusammenarbeit, eines Vorläufers des „Arbeitsbündnisses“ (Greenson 1967): “Es ist wie in einem Bürgerkrieg, der durch den Beistand eines Bundesgenossen von aussen entschieden werden soll. Der analytische Arzt und das geschwächte Ich des Kranken sollen, an die reale Aussenwelt angelehnt, eine Partei bilden gegen die Feinde, die Triebansprüche des Es und die Gewissensansprüche des Überichs. Wir schliessen einen Vertrag miteinander. Das kranke Ich verspricht uns vollste Aufrichtigkeit, d.h. die Verfügung über allen Stoff, den ihm seine Selbstwahrnehmung liefert, wir sichern ihm strengste Diskretion zu und stellen unsere Erfahrung in der Deutung des vom Unbewussten beeinflussten Materials in seinen Dienst. Unser Wissen soll sein Unwissen gutmachen, soll seinem Ich die Herrschaft über verlorene Bezirke des Seelenlebens wiedergeben. In diesem Vertrag besteht die analytische Situation.” (Freud 1940a [1938], S. 98). Damit war die Bühne bereitet nicht allein für eine Begrenzung der Tauglichkeit der psychoanalytischen Methode auf nicht-psychotische Personen, sondern auch für eine Entfaltung des psychoanalytischen Prozesses als kooperatives Unterfangen mit dem therapeutischen Ziel, adaptive Ich-Veränderungen einzuleiten – auf einem Weg, der auf Schritt und Tritt Überraschungen und Herausforderungen bereit hält.
II. C. SANDOR FERENCZI und OTTO RANK Auf je individuelle Weise stellten Ferenczi und Rank (Ferenczi 1919, 1921, 1924/1980; Ferenczi & Rank 1924), die beide mit traumatisierten Patienten eines breiten
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