Z! Das Zukunftsmagazin im Interview mit Sebastian Deuser und Dr. Janine Hilder
Temperaturen, denn Materialien dehnen sich aus oder ziehen sich zusammen beiTemperaturveränderungen, was wiederum zu Ungenauigkeiten der Laser und damit der Berechnung führen kann.Tatsächlich arbei- ten wir bei Raumtemperatur und kühlen nur die Ionen, während beispielsweise die meisten anderen Quanten- computer-Bauer das gesamte System kühlen. Last but not least müssen wir die Qubits auch vor Magnetfel- dern abschirmen. Wo sehen Sie die größten Potenziale für Quantencom- puting? Hilder: In vielen Bereichen der Wissenschaften könnten damit Meilensteine erreicht werden, beispielswei- se überall, wo Simulationen hilfreich sind. Chemie, Materialwissenschaften oder Pharmazie sind mögliche Anwendungsgebiete. Aber auch im klassischen Mit- telstand können logistische Prozesse mittels Quanten- computing optimiert werden. Haben Sie dafür Beispiele? Deuser: Ein einfaches Beispiel ist die Austragung von Zeitungen. Hier liegen Adressen zur Auslieferung vor, es gibt eine Reihe von ZeitungsausträgerInnen, die Zeitungen werden an definierten Orten zur Abholung bereitgestellt. Die üblicheTourenplanung für die Aus- trägerInnen folgt dabei Mustern, die es schon immer gibt, die aber vielfach noch nicht optimal sind. Dazu kommen dann noch Situationen, in denen Austräge- rInnen krank oder im Urlaub sind, was dieTourenpla- nung für dieseTage erschwert. Mittels Quantencom- puting können die perfekten Routen nach Vorgaben (z. B. jede/r arbeitet gleichlang) ermittelt werden. Das Gleiche gilt auch für dieTourenplanungen von Vertre- ternetzwerken oder Wegeoptimierungen in der Intralo- gistik. Im Ergebnis stehen kürzere Strecken, geringerer Verbrauch und Zeitersparnis der Mitarbeitenden zu Buche. Hilder: Ein weiterer wichtiger Einsatzbereich soge- nannter Variationeller Quanten-Algorithmen (VQA) sind in der Chemie und der Pharmazie zu finden. Bisher werden oftmals Annahmen getroffen und ein- zelne Simulationen experimentell durchgeführt, da die Rechenleistung nicht ausreicht, umfassende Simulati- onen durchzuführen. Eine Lösung zu finden, ist dabei teuer, aufwändig und langwierig und nicht immer kommt das optimale Ergebnis heraus. Mit Quanten- computing können beispielsweise in der Chemieindus- trie Katalyse-Prozesse verbessert werden. Verbesserte Katalyse-Prozesse bedeuten dann wiederum Ener- gieeinsparungen für die chemische Industrie, welche über 10 % des gesamten deutschen Energieverbrauchs ausmacht. Für die Pharmazie ergeben sich durch die Simulationen Ansatzpunkte für maßgeschneiderte, auf das Genom der Menschen zugeschnittene Medikamen- te. Auch im Bereich Machine Learning gibt es Quan- tenalgorithmen, die in Zukunft einen Vorteil gegen-
Wo kommen denn diese Qubits her bzw. wie gewinnt man diese? Hilder: Wir bei neQxt machen das über das Prinzip der „Paul-Falle“, für die Wolfgang Paul 1989 einen Nobel- preis erhalten hat. Die Falle ist quasi eine Fangvorrich- tung für geladene Ionen unter Vakuum. Wir entwickeln und produzieren dazu unsere eigenen Ionen-Fallen. Diese sind im Grunde das Herz des Quantencompu- ters, vergleichbar mit der CPU eines normalen Com- puters. Das Ganze wird in einem Reinraum produziert, um mögliche Verunreinigungen zu vermeiden.
Quantenprozessor basierend auf einer segmentierten Ionenfalle, her- gestellt via SLE-Verfahren.
Es gibt aber auch noch andere Methoden, Qubits her- zustellen, z. B. in supraleitenden Schaltkreisen, mittels Kernspintechnologien und andere Hochtechnologien. Deuser: Das interessante an den Qubits ist die expo- nentiell steigende Leistung. Vereinfacht gesagt ist ein Quantencomputer mit 30 Qubits in etwa so leistungs- fähig wie ein guter Laptop, bei 50 Qubits schafft er die Leistung eines kleinen Rechenzentrums. Bei 51 Qubits dagegen schon wie zwei Rechenzentren. Mit jedem Qubit mehr verdoppelt sich die Leistung, wenn alle Rahmenparameter stimmen. Damit sind diese Computer nicht nur platzsparend, sondern auch ener- gieeffizient, denn der Energieverbrauch steigt nicht nennenswert mit weiteren Qubits. Das ist bei Rechen- zentren leider nicht so: Sie brauchen Platz und enorm viel Energie. Aber wir möchten nicht den Eindruck erwecken, dass Quantencomputer eine Alternative für normale Rechner oder Rechenzentren sind. Nein, die beiden Systeme können nur im Wechselspiel miteinan- der ihre Wirkung entfalten. Qbits gelten als besonders empfindlich.Wogegen müssen Sie diese schützen? Hilder: Es gibt eine Reihe von Störfaktoren. Die Laser, die die Qubits ablesen, müssen exakt justiert sein. Hier sprechen wir von Genauigkeiten von wenigen Mikrometern. Das heißt, dass schon kleinste Vibratio- nen Abweichungen bedeuten, die das Messergebnis verfälschen. Auch braucht es möglichst konstante
Z! Das Zukunftsmagazin | Ausgabe 3/2023
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