01-2017 D

Beziehungen aufbauen, Ängste abbauen

stand. Die MEOS bot mir eine Aufgabe als Integrations- begleiterin an und nahm mich von Beginn weg sehr herzlich in «ihre Familie» auf. Erfahrungen aus Kamerun helfen Von Anfang an hatte ich keine Angst davor, bei mei- ner neuen Arbeit auf Flüchtlinge, ob Christen oder Muslime, zuzugehen – war ich doch selber 18 Jahre lang Ausländerin in Kamerun gewesen! Ich hatte nicht vergessen, wie es einem zu Beginn zumute sein kann: Alles ist anders (selbst die Vögel haben andere Laute!) und man ist voller Unsicherheit. Wie wohl tut da nur schon ein freundliches Lächeln! Trotzdem gab es Dinge, mit denen ich Mühe hatte: Manchmal merkte ich, wie ich Ausländer, die sich mei- ner Meinung nach arrogant benahmen, innerlich ab- lehnte. Auch musste ich mich zuerst an die Verschleie- rung der muslimischen Frauen hier gewöhnen, die oft deutlich strikter ist als in Kamerun. «Darunter» habe ich aber bald warmherzige Frauen entdeckt, von denen manch eine nach dem Deutschunterricht noch geblie- ben ist, um den biblischen Andachten zuzuhören. Bei all meinen Kontakten habe ich gemerkt: Wenn man zu jemandem eine Beziehung aufbaut und sich auf ihn einlässt, bauen sich Vorurteile und Ängste schnell ab. Das gilt überall, in Kamerun genauso wie in der Schweiz – und ich kann es jedem nur empfehlen! Identität nicht aufgeben Wir werden bereichert, wenn wir bereit sind, uns mit ausländischen Gästen einzulassen. Dabei müssen wir unsere eigene Identität nicht aufgeben, davon bin ich überzeugt! Das zeigte mir auch das Erlebnis vom 1. August, als wir unseren Nationalfeiertag mit Christen und Muslimen aus vier Nationen feierten. Sie freuten sich mit uns an diesem Tag und waren alle andächtig dabei, als wir unsere Landeshymne sangen und Gott im Namen Jesu für die Schweiz, die Freiheit und den Frieden dankten!

Nach 18 Jahren in Kamerun musste Vreni Kohli 2014 wegen der wachsenden Gefahr durch Boko Haram das Land verlassen. In der Schweiz fand sie eine neue Aufgabe unter Flüchtlingen – bei der ihr ihre Erfahrungen aus Afrika immer wieder helfen. Kamerun, 2014: Es ist Mittwoch und ich bin mit zwei Mitarbeitern, beides grosse, kräftige Männer, un- terwegs zum Kinderclub an der grünen Brücke. Am Polizeiposten, von denen es inzwischen viele gibt, werden wir angehalten. «Wohin geht ihr?» – «In den Kinderclub, um Geschichten über Jesus zu erzäh- len!»– «Das ist gut; betet für uns!» Sie bedeuten uns weiterzufahren. «Warum hat die Polizei uns ange- halten?», frage ich meine Begleiter. «Weil du etwas schnell gefahren bist», sagt der eine von ihnen zwin- kernd und fügt hinzu: «Es hätte ja sein können, dass wir dich entführen wollen, dann hättest du jetzt spre- chen können!» – «Und wenn ihr mich gezwungen hättet, einfach am Polizeiposten vorbeizufahren?» – «Dann hätten sie sofort die ganze Stadt alarmiert!» So sah das also inzwischen aus! Entführungen von Weissen waren in dieser Zeit häufiger geworden und geografisch immer näher gekommen. Die Entführung von zehn chinesischen Strassenbauingenieuren hatte dann das Fass zum Überlaufen gebracht – die kamerunische Regierung erklärte Boko Haram daraufhin den Krieg und das EDA drängte SAM global, alle Mitarbeitenden zu evakuieren. Nach der stetig ansteigenden Spannung war ich einerseits froh über diesen Entscheid, ande- rerseits schmerzte es sehr, Nordkamerun und meine Freunde in all diesen Schwierigkeiten zurückzulas- sen. In meiner letzten Woche in Kamerun erhielt ich von einem ehemaligen VIA-Mitarbeiter eine E-Mail mit dem Satz: «Falls du in der Schweiz eine Arbeit suchst, dann denke an die MEOS!» Mir war, als würde Gott mir die Hand entgegenstrecken und sagen: «Ich sor- ge für dich!» Dieser Eindruck war so stark, dass ich es mir nicht lange überlegen musste, insbesondere da auch SAM global hinter dieser Zusammenarbeit «Ich sorge für dich!» – auch in der Schweiz

Vreni KOHLI, ehemalige Mitarbeiterin in Kamerun

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