01-2017 D

Gott führt nicht jedes seiner Kinder gleich Seit 36 Jahren ist Elisabeth Gafner in Angola im Einsatz. 22 davon waren von Krieg geprägt – Un- sicherheit, Todesfälle von Mitarbeitenden und Freunden sowie Behandlungen von hunderten Kriegsverletzten gehörten zum Alltag. Trotzdem entschied sie sich bewusst gegen eine Evakuation.

Mit den Aufständen gegen die portugiesische Ko- lonialherrschaft begann in Angola im Jahr 1961 ein vierzigjähriger Krieg. 1975 folgte die Unabhängigkeit des südwest-afrikanischen Landes – doch statt Frie- den entwickelte sich zunehmend ein Guerillakrieg, bei dem die verschiedenen Parteien von aussen un- terstützt wurden. Nach mehreren gescheiterten Frie- densverträgen kam es am 4. April 2002 zu einem dau- erhaften Frieden. Evakuation Ich reiste 1980 für meinen Einsatz nach Angola aus. Das Spital Kalukembe – benannt nach der Kleinstadt, in der es steht –, in dem ich zum Teil bis heute mit- arbeite, konnte über viele Jahre nur in militärischer Begleitung oder mit einem MAF-Flugzeug erreicht werden. Grundsätzlich lebten wir in Kalukembe aber auf einer mehr oder weniger ruhigen «Insel»: Während es in den umliegenden Dörfern zu Überfällen und Ent- führungen kam, blieb es bei uns relativ friedlich. 1993 spitzte sich die Lage dann aber auch hier zu und SAM global musste um das Leben der Mitarbeitenden in Kalukembe bangen – und beschloss, sie zu evakuie- ren. Tiefe Gewissheit: bleiben! Zu diesem Zeitpunkt lag ich mit Gelbsucht im Bett. Viele Fragen stürmten auf mich ein: Ist das Leben eines Ausländers mehr wert als das eines Einheimi- schen? Sind wir im Dienst für Jesus aufgefordert, vor Gefahren zu flüchten? Werde ich mir selber vergeben können, wenn ich jetzt Kalukembe und damit meine einheimischen Freunde und Mitarbeitenden verlasse? Gott sprach durch verschiedene Bibelstellen zu mir ganz persönlich und erfüllte mein Herz nach vielem Kämpfen mit einem tiefen Frieden. Die Gewissheit, dass es richtig ist, die Kollegen und Kolleginnen ohne Vorbehalte ziehen zu lassen, selber aber zu bleiben, wurde von Stunde zu Stunde stärker. Die ganze Situa-

tion und meine Entscheidung belasteten die Beziehun- gen zu meinen Schweizer Kollegen und der damaligen Leitung von SAM global sehr – und ich bin dankbar, dass diese heute vollständig wiederhergestellt sind. Trotz allem die richtige Entscheidung Ein Jahr später näherten sich die Frontlinien unserer Stadt und so mussten wir zusammen mit den Patien- ten des Spitals und den Einwohnern von Kalukembe fliehen. In überfüllten Autos flüchteten wir in die 200 Kilometer nördlich gelegene Stadt Huambo, wo ich schliesslich gemeinsam mit Freunden einen weiteren politischen Machtwechsel miterlebte. Danach herrschte nochmals acht Jahre Krieg – selbst- erklärend keine einfache Zeit. Aber ich habe meinen Entscheid zu bleiben nie angezweifelt, weil ich wusste, dass dies vor Gott für mich richtig gewesen war. Und mein Bleiben ist für die angolanische Kirche bis heute ein wichtiger Meilenstein.

Ein Fazit

Folgende Schlüsse ziehe ich aus dem Erlebnis:

Gott führt nicht jedes seiner Kinder gleich.

• Die Führung Gottes kann zu verschiedenen Zeit- punkten anders sein. • Gott lässt im Dienst für ihn Gefahren, Angst, Not und manchmal auch den Tod zu. • Die Aussage von Jesus: «In der Welt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt überwunden» ist auch heute noch aktuell.

Elisabeth GAFNER, Mitarbeiterin in Angola

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