01-2017 D

Damaris: Ganz zu Beginn meines Einsatzes wurde ich überfallen, als ich von unserem Kinderheim nach Hause ging. Grundsätzlich war ich darauf vorbereitet gewesen – als «Weisse» sieht man mir schon von weitem an, dass ich nicht aus Belém komme. Trotzdem war es ein aufwühlen- des Erlebnis, das mich in den darauffolgenden Tagen sehr beschäftigte. Patricia: Ammeisten Angst hatten wir im Juli 2015: Wir wa- ren im Heimataufenthalt in der Schweiz und standen kurz vor unserer Rückkehr in den Tschad, als in der Nähe unseres Projekts ein Attentat verübt wurde. Das stellte uns vor die grosse Frage: Was ist nun wichtiger – der Auftrag, Gott zu dienen, oder die Verantwortung für die Kinder?Wir nahmen uns nochmals Zeit, um abzuwarten und zu beobachten, wie sich die Situation entwickeln würde. Schlussendlich konn- ten wir in denTschad zurückkehren – ohne dabei das Gefühl zu haben, verantwortungslos oder leichtsinnig zu handeln. Auch wenn wir uns ehrlich gesagt damals nicht immer ganz sicher waren, die richtige Entscheidung getroffen zu haben. Im Tschad war dann eine unserer grössten Befürchtungen, dass die Schule unserer ältesten Tochter angegriffen wer- den könnte. Es brauchte viel Vertrauen in Gott, sie jeden Morgen ziehen zu lassen. Dass sie uns erzählte, sie hätten in der Schule zusätzlich zum Feueralarm nun auch den «Terroristenalarm» geübt, erleichterte die Sache auch nicht gerade. Was hat den Ausschlag gegeben, dass ihr wieder in den Tschad gereist seid? Patricia: Wir wussten, dass wir im Projekt noch gebraucht wurden. Auch die Ermutigungen von verschiedenen Perso- nen aus der Schweiz und dem Tschad waren wertvoll. Zu- dem hatten wir im Hinterkopf, dass wir immer den «Joker» haben, im Notfall das Land verlassen zu können. Vor allem aber hat Gott uns seinen Frieden gegeben. Und wir haben schon vorher gelernt: Gott hat das letzte Wort, egal, wo wir uns befinden. Unser Leben ist in seiner Hand. Die Leute hier waren sehr glücklich über unsere Rückkehr und die Kinder haben sich schnell wieder wohl und zuhau- se gefühlt. Die Albträume, die sie in der Schweiz oft gehabt hatten, hörten paradoxerweise im Tschad wieder auf. Wir sind zwar jetzt physisch gesehen näher an der Gefahr, aber weniger mit den beängstigenden Informationen zum Ter- ror konfrontiert. Sarah, weshalb habt ihr euch entschieden, trotz der Ebola-Epidemie zu bleiben? Sarah: Wir haben nie den Eindruck gehabt, wir müssten Guinea verlassen, und hatten immer den Frieden darüber, diese schwierige Zeit mit den Leuten vor Ort zu teilen. Ins- gesamt ging das Leben hier viel «normaler» weiter, auch mitten in der Epidemie, als es wohl von aussen den An- schein machte. Es wurde weiter gearbeitet und eingekauft, es wurde geheiratet und Kinder kamen zur Welt. So hatten wir nie das Gefühl, dass es völlig wahnsinnig war, dort zu sein. Daneben gab es praktische Gründe, die gegen ein Wegge- hen sprachen: Eine Evakuierung mit drei kleinen Kindern hätte eine Herausforderung dargestellt und es wäre auch schwierig gewesen, das ganze Projekt so plötzlich zurück- zulassen. Zudem war da das Gefühl: Die Leute hier kön- nen ja auch nicht einfach abhauen, weil es schwierig wird. Warum sollten wir es dann tun …

Wie haben eure Schweizer Freunde und eure Familie auf dieSE Situation reagiert? Sarah: Wir sind sehr dankbar, dass unsere Eltern, Geschwis- ter und Freunde keinen Druck auf uns ausgeübt haben, Guinea zu verlassen. Sie hatten vielleicht Angst um uns und haben sicher für uns gebetet, aber sie haben uns in unserer Entscheidung unterstützt. Das war ein grosses Geschenk. Natürlich gab es auch Bekannte, die uns nicht verstanden haben, aber das gehört in solchen Situationen dazu. Damaris, weshalb bist du trotz allem in Brasilien? Damaris: Als Teenager war ich an einer Veranstaltung, bei der jemand Fotos von seiner Arbeit mit Kindern in den Slums von Brasilien zeigte. Diese Bilder bewegten mich und ich war nach diesem Abend absolut sicher, dass ich eines Tages nach Brasilien gehen würde, um etwas von dem, was ich in meiner Kindheit geschenkt bekommen hatte, weiter- zugeben. Das ist bis heute mein grosser Wunsch. In der Bibel haben wir viele Beispiele von Menschen, die schwierige Situationen aushalten mussten, weil sie Gottes Liebe weitergeben wollten, und die sich davon nicht un- terkriegen liessen – so wie zum Beispiel Paulus. Wir dürfen wissen, dass Gott uns in unserer Angst beisteht: «In derWelt habt ihr Angst, aber seid getrost, ich habe die Welt über- wunden!» (Johannes 16,33). Das ist ein Vers, der Mut macht und mich daran erinnert, wem ich alle meine Ängste anver- trauen kann: Gott, der alles überwunden hat und souverän über allem steht. Wenn ich auf all die möglichen Schwierig- keiten und Gefahren schauen würde, wäre es wahrschein- lich unmöglich, hier zu sein und überhaupt noch etwas zu tun. Aber ich weiss, dass Gottes Engel mich beschützen, wie es auch in Psalm 91,11 steht. Bei Gott ist meine Sicherheit, egal wo ich mich befinde. So versuche ich, mich nicht zu sorgen, sondern ihm das alles immer wieder hinzulegen. Woher kommt eure Überzeugung? Sarah: Unsere Hauptüberzeugung lag sicher darin, dass wir wussten, dass Gott uns hier haben wollte. Wir versuchen, immer wieder zu hören, wie und wohin uns Gott führen will, und dann zu gehorchen. Er ist unsere Sicherheit. Patricia : Gott hat uns jeden Tag die Überzeugung ge- schenkt, am richtigen Platz zu sein, und uns einen tiefen Frieden ins Herz gelegt. Wir dürfen hier wunderbare Dinge mit ihm erleben. Damaris: Ich weiss, dass mein Platz in Brasilien ist und Gott mich hier haben will. Diese Gewissheit hilft mir, in schwieri- gen Situationen nicht den Mut zu verlieren. Denn schliess- lich habe ich Gott an meiner Seite, der für mich kämpft. Und wenn Gott für mich ist, wer kann dann gegen mich sein (Römer 8,31)? Ich habe gelernt, stärker in der Abhängigkeit von Gott zu leben – und darf nun immer wieder merken, dass seine Zusagen wahr sind. Besonders seine Treue durfte ich schon mehrmals spüren.

Damaris LIECHTI Sarah BÜCHLI Patricia MOSER

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