NATIONAL GEOGRAPHIC

Mit Wohnraum für Tiere allein ist es aber nicht getan. Damit eine Art sich vor Ort ansiedelt, müs- sen ihre wesentlichen Bedürfnisse erfüllt sein. „Ein Nistplatz nützt gar nichts, wenn es kein Futter in der Nähe gibt, und ein Blühstreifen ist Quatsch ohne Schutz vor Fressfeinden wie etwa Katzen“, sagt Weisser. Dabei wäre es ganz ein- fach: Mit Steinen gefüllte Gabionen im Sockel- bereich etwa können Eidechsen Schutz bieten. In Artenporträts beschreiben die Planer zuerst die kritischen Standortfaktoren, denn die spezi- ellen Ansprüche einer Art sind selbst Experten oft wenig bekannt. So pickt der Haussperling gerne Krümel vom Frühstückstisch, seine Jun- gen füttert er aber mit Würmern und Maden. „Wir müssen den gesamten Lebenszyklus einer Art abdecken“, erklärt Weisser, „die Bedürfnisse von Tieren von Anfang an mitdenken.“ Anhand der Artenporträts entsteht dann für jede Zielart eine Art Checkliste für den konkreten Entwurf. AAD konzentriert sich bei jedem Projekt auf bestimmte Zielarten, welche die Planer mit Bau- herrn und mit künftigen Bewohnern gemeinsam auswählen. Mit klassischem Naturschutz habe das nichts zu tun, sagen die Professoren. Sie wollen den Bewohnern keine Arten aufzwingen. „Die Leute sollen es cool finden, mit Wildtieren zusammenzuwohnen“, sagt Biologe Weisser. In Berlin entsteht derzeit ein großes Büroge- bäude, das neben grünen Fassaden auch eine „Fassadenbetierung“ mit Vögeln und Insekten erhält. „Da mussten wir allerding erst einmal darauf bestehen, dass die riesigen Glasfassaden mit vogelsicherem Glas gebaut werden“, erzählt Thomas Hauck. Sonst würden begrünte Glasfas- saden nämlich nicht zum Lebensraum, sondern zu einer Todesfalle für die Vögel. In München wird gerade geprüft, wie die Ziel- arten mit ihrem durchgeplanten Lebensraum zurechtkommen. Igel aus den Schrebergärten nebenan sind schon da. Der Gartenbaumläufer brütet hinter der Attikablende. Feldsperlinge halten die Fledermauskästen besetzt. Nur die Nistplätze für Amseln unter den Büschen haben nicht funktioniert. „Da laufen ständig Kinder durch, die finden es dort viel spannender als auf dem Spielplatz“, erzählt Wolfgang Weisser. „Unser Fehler“, sagt er und lacht. „Wir haben die Kinder einfach falsch eingeplant.“

Hier haben auch Tiere ein neues

Häuschen gefunden: Die Schublade in der Außenwand einer Kindertagesstätte in München bietet Igeln ein frostfreies Winterquartier.

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STADTPLANUNG FÜR TIERE

FOTOS: SAM HOBSON; THOMAS HAUCK

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