Touristen können mit dem Tren Maya eine Zeitreise unternehmen, von der kolonialen Stadt Mérida bis zu den Ruinen von Palen- que. Doch die Bahn soll auch als Transport- mittel für Güter dienen und Orte wie diesen Strand in Cancún besser erreichbar machen.
FOTO: ANGIE SMITH
der wenigen Menschen, die das Erkunden der Cenoten genauso lieben wie Roberto Rojo. Die beiden standen sich einst nahe – „beste Freunde“, sagt Rojo. Jetzt reden sie kaum noch miteinander. Der Tren Maya hat sie entzweit. Die Konflikte sind sowohl von großer Trag- weite als auch alltäglich – die sozialpolitische Ausrichtung einer Nation, der Preis eines Biers. Sie spalten die Gesellschaft. Es ist ein Kampf zwischen denen, die die letzten Reste wilder Natur bewahren wollen, und anderen, die glauben, dass menschliche Eingriffe, sofern sinnvoll umgesetzt, gefeiert werden sollten. Der Tren Maya ist ein Projekt, das sich aus zwei gänzlich unterschiedlichen Perspek- tiven betrachten lässt. ALS DER BAU im Jahr 2020 begann, waren sowohl Yáñez als auch Rojo in den Cenoten unterhalb der geplanten Trasse unterwegs. Doch während Rojo die Zerstörung dokumen- tierte, half Yáñez bei der Suche nach histori- schen Schätzen. Zwei Jahre lang arbeitete er für die mexikanische Regierung und koope- rierte mit dem Nationalen Institut für An- thropologie und Geschichte (INAH), Mexikos wichtigster Institution für kulturelles Erbe. Für das Projekt Tren Maya wurde ein bei- spielloses Team von 2000 Personen zusam- mengestellt, darunter Wissenschaftler und Hilfskräfte, die den Dschungel entlang der geplanten Route durchkämmten. „Es war mein absoluter Traumjob“, sagt Yáñez. Er half bei der Bergung zahlreicher Funde, darunter das erste intakte Maya- Kanu, das je in der Region entdeckt wurde, vermutlich aus der Zeit um 900 n. Chr. Es soll in einem der neun neuen Museen ausgestellt
werden, die für die Entdeckungen im Zuge der Bauarbeiten errichtet werden. Yáñez, anders als Rojo, war täglich auf der Baustelle, als Teil des Teams. Von den Gleis- bauern bis zu den Archäologen – Yáñez spürte Hingabe, Nationalstolz und die Überzeugung, dass diese Arbeit wichtig war. Abseits der Touristenzentren führt die Halbinsel Yuca- tán seit Langem ein Schattendasein, viele Regionen leiden unter extremer Armut. Der Tren Maya hat das Potenzial, dies zu ändern. Neben Passagieren wird die Bahnlinie bald auch Fracht befördern, was die Preise für Waren, von Rindfleisch bis Bier, in vormals
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