GENIAL GEDACHTE PROJEKTE (I34)
ABWASSER MARSCH!
Süßwasser wird immer knapper. Die Landwirtschaft der Zukunft braucht neue, ressourcenschonende Anbaumethoden. In Niedersachsen wachsen Tomaten nun mit aufbereitetem Wasser aus dem Klärteich.
Text JULIA GRAVEN Foto JONAS DENGLER
STEFAN PIEPERS GEWÄCHSHAUS ist ein Paradies für Tomatenfans: Bis unter das Dach wachsen leuchtend rote Cherry- und Cock- tailtomaten. Das Besondere: Sie gedeihen mit aufbereitetem, kommunalem Abwasser – bei Gemüse für den Rohverzehr ein Novum in Deutschland. „Bisher wurde gereinigtes Abwasser nur für Produkte verwendet, die weit weg vom menschlichen Verzehr sind, wie Mais für Biogasanlagen“, erklärt Tho- mas Dockhorn von der TU Braunschweig. Er hat den Anbau im Projekt „Hypowave“ mit Partnern aus Wissenschaft und Praxis zehn Jahre lang erforscht. Nach der Aufbereitung erfülle das Wasser „die strengen Anforderun- gen der EU-Verordnung zur Wasserwiederver- wendung“. Stickstoff oder Phosphor bleiben für die Tomaten im Wasser. „Man muss dem Bewässerungswasser praktisch keine weiteren Nährstoffe mehr zusetzen“, sagt Dockhorn. Pieper baut bisher vor allem Kartoffeln an. „Aber wenn die Sommer weiter so trocken bleiben, wird es mit Kartoffeln schwierig“, sagt der Landwirt. Das Gewächshaus, das neben dem Klärteich der Gemeinde steht, soll dürren Zeiten trotzen. Eine mehrstufige Anlage reinigt das Wasser mit Sandfilter, Mi- krosieb, Aktivkohlebiofilter und UV-Reaktor.
Im Gewächshaus fließt das Wasser über dünne Schläuche direkt zu den Wurzeln, die in Steinwolle statt Erde wachsen. Die effiziente Hydroponik spart bis zu 90 Pro- zent Wasser. Wenn es den Kreislauf verlässt, ist das Nass nahezu frei von Stickstoff oder Phosphor. Die Gemeinde kann sich so den teuren Anschluss an die Kläranlage sparen. „Die eierlegende Wollmilchsau ist uns tat- sächlich gelungen“, sagt Dockhorn. Seit 2023 erlaubt die EU gereinigtes kom- munales Abwasser für die Landwirtschaft. In Südeuropa ist dies bereits Praxis. „Uns war anfangs nicht klar, dass solche Toma- ten also längst auf dem Markt sind“, sagt Dockhorn. Das Bundesinstitut für Risikobe- wertung sieht Wasserwiederverwendung in hydroponischen Systemen kritisch, weil die Datenlage noch unzureichend sei. Im nieder- sächsischen Pilotprojekt sei das Wasser laut Dockhorn jedoch einwandfrei. Stefan Piepers Frau Wiebke ist besonders vom Geschmack der ausgereiften Tomaten begeistert. Gerade hat sie die ersten Kisten zum Edeka-Händler im Ort gebracht. Der präsentiert die lokalen Früchte im selbst gezimmerten Holzaufsteller – und hat dafür „Gut&Günstig“- Ware aus dem Sortiment genommen.
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