Meltzner. „Da der Fluss fortwährend Sediment herantransportiert, lagert sich auf der verdich- teten Sedimentoberfläche weiterer Schlamm ab und das Delta bleibt über Wasser.“ Zumindest war es früher so: Während des alljährlichen Hochwassers traten die Flüsse über ihre Ufer, ihre Mäander wanderten durch den weichen Schlick hin und her und verteil- ten dabei das Sediment gleichmäßig über die Ebene. Die Überschwemmungen gefährdeten allerdings die modernen Großstädte. In Metro- polen wie Jakarta oder Semarang, der Haupt- stadt von Zentraljava, bauten die Niederländer daher im späten 19. Jahrhundert Kanäle, Dei- che und Schleusentore als Hochwasserschutz. Heute sorgen Deiche und betonierte Uferbe- festigungen zwar dafür, dass die Flüsse nicht mehr über ihre Ufer treten, hindern sie aber gleichzeitig am Wiederauffüllen der Küsten- ebene. Stattdessen verbleibt das Sediment im Flussbett oder wird ins Meer hinausgespült. Das ist einer der Gründe, warum sich Javas Nord- küste senkt. „Selbst wenn man den Anstieg des Meeresspiegels außer Acht lässt, hat allein die Tatsache, dass wir die Flüsse kanalisierten und daran hinderten, sich ihren Weg zu suchen, den natürlichen Prozess gestört“, sagt Meltzner. HERI ANDREAS, DER DAS ABSINKEN der Küste erforscht, nennt einen weiteren maßgeblichen Faktor: massive Grundwasserentnahmen, die die Sedimente schneller kompaktieren lassen. Allein im Regierungsbezirk Demak gab es bis 2014 auf einer Fläche so groß wie Berlin fast 250 000 Brunnen, die bis in 150 Meter Tiefe reichten. Inzwischen sind es vermutlich weitaus mehr; 2014 ist das letzte Jahr, aus dem offizielle Daten vorliegen. Die meisten Brunnen sind pri- vat, aber auch die Wasserbehörde von Demak hat an vier Standorten Tiefbrunnen gebohrt. Seit mehr als einem Jahrzehnt war die Ent- nahme von Grundwasser für die Verwaltung die kostengünstigste Methode, um dem drin- genden Bedarf an Trinkwasser und sanitären Einrichtungen gerecht zu werden. Grundwasser ist sauber und braucht weder Aufbereitung noch Dämme oder Speicherbecken. Doch seine Nut- zung fordert einen hohen Preis. „Die Menschen und insbesondere die Regierung geben noch immer dem Meeresspiegelanstieg die Haupt- schuld“ am Landverlust in Demak, sagt Andreas. „Für uns jedoch ist die jahrzehntelange Über- nutzung des Grundwassers die Hauptursache.“
Zentraljava hat Satellitendaten zufolge 8000 Hektar Land eingebüßt, 2200 Hektar davon im Bezirk Demak. Für die Landverluste und die Überflutungen gibt es mehrere Gründe. Einer davon ist der von der Erderwärmung verursachte Anstieg des Meeresspiegels. Weitaus gewichti- ger ist aber die Landabsenkung. Javas nördliche Küstenebene besteht aus Schwemmsedimenten, die mehrere zehn bis hundert Meter mächtig sein können. Flüsse, die in den Bergen im Lan- desinneren entspringen, haben sie über Jahr- tausende hinweg dort abgelagert. Das Sediment setzt sich, da es unter seinem eigenen Gewicht verdichtet wird, erklärt der Geologe Aron Meltz- ner vom Earth Observatory of Singapore. „Das ist ein ganz natürlicher Prozess“, unterstreicht
EIN LAND VERSINKT 49
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