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Die Johannisnacht vom 23. auf den 24. Juni eines jeden Jahres feiern die Menschen zwischen Waxenstein und Alpspitze (l.) mit leuchtenden und weithin sichtbaren Feuern.

Kulturraum, der vor allem durch Kleinräumig­ keit gekennzeichnet ist. Zwei benachbarte Tal­ schaften können sich im Mikroklima, in der Sprache und Identität fundamental unterschei­ den. Gemeinsam ist dem Raum, dass die Böden meist karg sind, die Wetterbedingungen extrem, die Produktionsbedingungen schwierig. Mit dem Beginn der Industrialisierung änderte sich das Alpenbild. Allen voran britische Aben­ teurer und Alpinisten schafften ein neues Bild der Berge, das Sehnsüchte weckte. Mit der Grün­ dung der Alpenvereine Mitte des 19. Jahrhun­ derts ging die systematische Erschließung der größten und artenreichsten Naturregion Mit­ teleuropas einher. Die alpine Goldgräberzeit begann mit dem massiven Ausbau der (Reise-) Infrastruktur nach dem Zweiten Weltkrieg. Sie dauert in Wellenbewegungen bis heute an. Renato Botte weiß um die Anziehungskraft der Alpen – er lebt davon. Botte ist Bergführer und hat diesen klaren Blick der Menschen, die die meiste Zeit draußen in der Bergnatur ver­ bringen. Mit routinierten Handgriffen bindet er seinen Gast ans Seil und zieht den Achterknoten mit einem Ruck fest. Ziel der Klettertour an den griffigen Felsen ist die Rocca Provenzale, 2402 Meter hoch und von den Einheimischen das „Matterhorn der Cottischen Alpen“ genannt. Die Liebe hat den Südtiroler ins Piemont an den südwestlichen Rand der Alpen gebracht. Gemeinsam mit seiner Lebensgefährtin Manu­ ela Zibana, deren Wurzeln im Tal liegen, betreibt Botte die „Locanda Mistral“ in Ponte Maira auf 1400 Metern. Es ist ein kleines, charmantes Hotel mit 14 Zimmern und posto tappa auf den percorsi occitani, also eine traditionelle Unterkunft für Wanderer oder Skitourengeher, die auf den „okzi­ tanischen Wegen“ unterwegs sind. Die Metropo­ len Turin und Mailand sind Stunden entfernt; vom Gefühl her könnten es Lichtjahre sein. Ponte Maira ist typisch für die Talschaften. 25 Häuser, drei sind derzeit bewohnt – zwei Pen­ sionisten, eine Bauernfamilie, insgesamt elf Per­ sonen. Die Grundschule liegt talabwärts neun Kilometer entfernt in Prazzo. Sechs Kinder, fünf Jahrgänge. Im Jahr 1962 gab es in Acceglio, der Gemeinde, zu der Ponte Maira gehört und die fuß­ läufig bergabwärts liegt, vier Lebensmittelläden,

eine Bäckerei, Metzgerei, einen Friseur und eine Grundschule. Heute: Fehlanzeige. Die Gemein- de mit ihren elf Ortsteilen hatte damals noch 1600 Einwohner, jetzt sind es um die 80, die hier wohnen, schätzt Manuela Zibana. Der große Exo­ dus setzte in den späten 1950er-Jahren ein und dauerte bis in die 80er-Jahre. Mancherorts ist er immer noch nicht vorbei. Die Bewohner zogen in die Metropolen der Po-Ebene, wo Arbeit und ein weniger beschwerliches Leben lockten. Zurück blieben schön anzuschauende, aber verfallende Dörfer, in denen nur noch ein paar Alte lebten. Das Mairatal und seine Nachbartäler bekamen den Beinamen „das schwarze Loch Europas“. Seit Anfang der 1990er-Jahre tut sich etwas in den peripheren Tälern des Piemonts. Wanderer

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