Toolbox Religion

Informationen zur Glaubenspraxis

Bedeutung und Verbindlichkeit

ganze Bibel als alleinigen Maßstab ih- res Glaubens. Das bedeutet, dass sich alle Glaubensäußerungen, Bekenntnis- schriften und Dogmen an der Bibel zu messen haben. In ihnen darf nicht gere- gelt sein, was der Bibel widerspricht. Dennoch gibt es in den Konfessionen Unterschiede:   In der katholischen Kirche ist das päpstliche Lehramt die maßgeben- de und verbindliche Autorität zur Schriftsauslegung.   In der orthodoxen Kirche ist die ganze Kirche die höchste Autorität und gilt als unfehlbar. Auch die Bi- bel und die Tradition sind das Werk und Eigentum der Kirche. Die Be- lehrungen durch die Kirche sind gleichrangig mit der Lehre der Hei- ligen Schrift.   Die evangelische Kirche lehnt das päpstliche Amt ab, da es nicht bib- lisch begründet ist. Es gibt keine einheitliche Lehre. Die Auslegung der Schrift ist prinzipiell jedem Gläubigen möglich („Priestertum aller Gläubigen“). Während in der katholischen Kirche die Lehrmei- nung des Papstes gleichrangig ne- ben der Bibel steht, erkennt die evangelische Kirche nur die Bibel als einzige Autorität an (Martin Lu- ther lehrte: Man kommt zum Glau- ben „allein durch die Schrift“: sola

Gottes Offenbarungen enthält, sie reflek­ tiert und weitergibt. Sie will eine Ver- kündigung sein, die Glauben weckt. Die Bibel ist Gottes Wort in Men- schenwort. Der Inhalt der Heiligen Schrift ist jedoch nicht beliebig und wurde vor Verfälschung oder beliebi- ger Erweiterung geschützt. Nach einer bestimmten „Richtschnur“ ( Kanon ) wurden die in der Bibel enthaltenen Bücher ausgewählt, die als heiliges Wort Gottes gelten. Altes Testament und Neues Testament Die Bibel besteht aus dem Alten Testa- ment und dem Neuen Testament . Die hebräische Bibel (Tanach) mit den drei Hauptteilen Weisung , Propheten und Schriften bildet – in anderer Anord- nung und geringfügig anderem Umfang – das Alte Testament und damit den ers- ten Hauptteil der christlichen Bibel. Sie wird ergänzt durch das Neue Tes- tament mit den zwei Hauptteilen Evangelien und Briefe . Die vier Evan- gelisten Markus, Matthäus, Lukas und Johannes schildern das Leben Jesu Christi, sein Reden und Tun, sein Ster- ben und Auferstehen. Sie waren vom Glauben bewegt, dass Gott in Jesus Christus Mensch geworden ist und galten in der christlichen Kirche als vom Heiligen Geist inspiriert. Verbindlichkeit der Schrift Die katholischen, orthodoxen und evangelischen Kirchen betrachten die

scriptura ). Das führt in der evange- lischen Kirche zu einer Glaubens- vielfalt und Pluralität, die für sie charakteristisch ist.   Da die Bibel Gottes Wort in Men- schenwort ist, werden die Inhalte der Bibel (stärker als in anderen Re- ligionen) in ihren geschichtlichen Kontext eingeordnet (z. B. Aussa- gen über die Rolle der Frau). Verbindlichkeit der Gesetze Als verbindliche Richtschnur für das religiöse Verhalten gelten für die Chris- ten die Zehn Gebote (Altes Testament, 2. Mose 2–17) und die Aussagen der Bergpredigt (Neues Testament, Mat- thäus 5–7) mit dem Liebesgebot „Liebe deinen Nächsten wie dich selbst“ (Matthäus 7,12).

aus Geboten und Verboten. Nur sechs Prozent des Korans sind klare Anwei- sungen, die als solche verstanden wer- den können. Vom Schriftverständnis her ist eine zeitgemäße Deutung jederzeit möglich. Niemand darf diese Deutung aber für ebenso unantastbar erklären wie die ursprüngliche Quelle selbst.

Rechtlich relevante Schriften – der Koran ein Gesetzesbuch?

Das Wort Scharia (Šari’a) bedeutet wörtlich genommen „Der Weg zur Quelle“. Muslimische Menschen sind immer wieder aufgefordert, aus dieser Quelle neu zu schöpfen. Die Scharia stellt damit eine Struktur dar, die es – immer im Hinblick auf den Kontext – mit Details zu füllen gilt. Aus der Struktur koranischer Verse erstellen muslimische Gelehr- te Rechtsverordnungen, den so ge- nannten Fiqh . Dieser ist je nach Ge- sellschaft und Sozialisation für einen entsprechenden Kreis musli- mischer Menschen verbindlich, un- terliegt jedoch der Veränderbarkeit. Das gilt ebenfalls für ein so genann- tes Fatwa (ein Rechtsgutachten), das zu einem bestimmten Thema von einem oder mehreren Gutachtern erstellt werden kann. Zu jedem Gut- achten ist es auch möglich, ein Gegengutachten zu bekommen. Beispielsweise hat ein bekannter Rechtsschulenbegründer zu ein und demselben Koranvers an verschie-

Islam Der Koran gilt den Musli-

minnen und Muslimen grundsätzlich als Verbaloffenbarung Allahs (arab.: Der Gott). Diese wurde dem Prophe- ten Muhammad durch den Engel ˇ Gibril (Gabriel) überbracht. Als unmittelba- res Wort Gottes gilt nur der arabische Urtext. Die meisten Musliminnen und Muslime betrachten den Koran somit als ver- pflichtend. Der Koran besteht nicht nur

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