Toolbox Religion

Miteinander in multireligiösen Gruppen

Hinweise für Trainer/-innen

„Betzavta“

Konsequenz aus den Annahmen und Erkenntnissen des Betzavta-Ansatzes ist daher:

Betzavta 15 ist ein Konzept des Adam In- stituts in Jerusalem, das von der Bertels- mann Stiftung für die Situation in Deutschland adaptiert wurde. 16 Grund- lage von Betzavta (hebr.: miteinander) ist die Anerkennung des prinzipiellen Rechts aller auf freie Entfaltung. Grundannahmen und Erkenntnisse aus dem Betzavta-Ansatz Die Anerkennung des gleichen Rechts des anderen auf freie Entfaltung ist eine Haltung, die sowohl dem Weiter- kommen des Individuums als auch der Gemeinschaft dient. Gerade in religiösen Konflikten ent - steht oft der Eindruck, dass es eine/-n Gewinner/-in und eine/-n Verlierer/-in geben wird. Dass eine „Entweder- oder-Entscheidung“ getroffen werden muss, bei der die freie Entfaltung des anderen eine Einschränkung der eige- nen Freiheit zwangsläufig nach sich zieht. Ziel muss es daher sein, die An- erkennung der Gleichberechtigung als generelles Prinzip zu erarbeiten – un- abhängig von der Tatsache, ob es sich dabei um das eigene Recht oder das Recht des anderen handelt.

Entscheidungen werden häufig auf Basis stillschweigender Annahmen getroffen.

Auch wenn das Ergebnis oder die Lö- sung eines Konfliktes im Prinzip alle Beteiligten mehr oder weniger zufrie- den stellen müsste, gibt es oft Miss- verständnisse und persönliche Verlet- zungen auf dem Weg zu dieser Lösung. Ein schaler Nachgeschmack und Unzufriedenheit bleiben. Trainer/-innen sollten gerade in inter- religiösen Gruppen mit Teilnehmen- den unterschiedlicher kultureller Her- kunft besonders darauf achten, dass die Bedürfnisse aller auf dem Weg zur Problemlösung angemessene Be- rücksichtigung finden. Das bedeutet, eine Form der Problemdiskussion und -lösung zu finden, die Teilnehmenden mit verschiedenen Konfliktlösungs - strategien (z. B. konfrontativ/vermit- telnd) oder Kommunikationsstilen (z. B. direkt/indirekt) gleichermaßen einen Rahmen zur Beteilung bietet. In einem Gedankenaustausch oder Konflikt in einer interreligiösen Be - gegnung sollte daher nicht nur auf das gesprochene Wort zurückgegrif- fen werden. Es können stattdessen auch Methoden wie eine stille Dis- kussion, Collagen oder die Arbeit mit Bildern als Assoziationshilfe zum Ein- satz kommen.

Menschen tendieren häufig dazu, ihre eigenen Einstellungen auf andere zu übertragen. Oder ihre Einschätzungen anderer Menschen beruhen auf Ste- reotypen, Vorannahmen und Vorerfah- rungen, die nichts mit dieser Person oder der konkreten Situation zu tun haben. Diese stillschweigenden An- nahmen werden häufig nicht hinter - fragt bzw. durch eine Rückfrage an die Person bestätigt oder nicht bestätigt. In der Arbeit mit interreligiösen Grup- pen könnte dies z. B. der Fall sein, wenn ein Gruppenmitglied davon aus- geht, dass die christliche Religion eine besondere Rolle für jemanden spielt, wenn er getauft ist. Dass dies gerade für kirchenferne deutsche Christ(inn)en nicht automatisch der Fall ist, wird häufig nicht im Einzelfall hinterfragt.

Umsetzung des Gedankens der größtmöglichen freien Entfaltung in interreligiösen Gruppen Dem/der Trainer/-in oder Betreuer/-in kommt in interreligiösen Gruppen eine große Verantwortung zu. Neben der Berücksichtigung des kulturellen Hintergrunds und kulturell geprägter Kommunikations- und Verhaltenswei- sen müssen die Besonderheiten der re- ligiösen Bedürfnisse angemessen the- matisiert und einbezogen werden. Dabei sind in jeder Gruppe durch die spezifische Zusammensetzung ihrer Teilnehmenden andere Themen rele- vant. Jede Gruppe benötigt eine ande- re Behandlung und Ansprache. Demokratische Entscheidungsfindung und Konfliktlösung Eine hilfreiche Vorgehensweise bei der Konfliktlösung in Gruppen können die vier Schritte einer demokratischen Ent- scheidungsfindung aus der Betzavta- Übung „Wege der demokratischen Ent- scheidungsfindung II oder ‚Die Kunst

15 Ulrich, Susanne (1997): Miteinander – Erfahrungen mit Betzavta; ein Praxishandbuch auf der Grundlage des Werks „Miteinander“ von Uki Maroshek-Klarman, Adam Institut, Jerusalem. Gütersloh 2001 (3. überarbeitete Auflage). 16 Ebenfalls gut geeignet für die Arbeit mit Gruppen sind die Übungen aus dem Konzept „Achtung (+) Toleranz. Wege demokratischer Konfliktregelung“, Gütersloh 2000.

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