04-2014 D

Bildung undWirtschaft im Aufschwung Bis zum Ende des Bürgerkrieges im Jahre 2002 hatten die wenigsten Angola- nerinnen und Angolaner Zugang zu einer der beiden damaligen Hochschulen, der Regierungs- oder der katholischen Universität. Heute, zwölf Jahre später, gibt es in Angola über 20 Universitäten und die Zahl der Studienabgängerin- nen und -abgänger ist pro Jahr von 4'000 auf über 50'000 gestiegen. Das ist ein grosser Gewinn für die vielen jungen Menschen, die sich nach dem Krieg um eine Ausbildung bemüht hatten. Die Ölindustrie ist der Wirtschaftszweig, der am stärksten wächst. Es sieht ganz so aus, als ob Angola im Jahr 2015 Nigeria bezüglich der Erdölförderung über- holen wird. Es wird mit der Produktion von mehr als zwei Millionen Fass Roh- öl pro Tag gerechnet. Das hat vor allem europäische und lateinamerikanische Länder dazu bewogen, mit Angola Abkommen auszuhandeln. Man schätzt, dass heute über 200'000 Portugiesen in Angola arbeiten. Kulturelle Auswirkungen des Krieges Die Angolanerinnen und Angolaner sind ein gastfreundliches und lebensbe- jahendes Volk. So fällt auf, dass die Musik und die Literatur unterdessen aufge- hört haben, das Leid des Krieges zu beklagen. Die Menschen träumen wieder und können sich im ganzen Land ohne irgendwelche Einschränkungen frei bewegen. Jedoch hat der Bürgerkrieg zu einer Vermischung verschiedener Volksgruppen geführt. DieVerstädterung, respektive die Landflucht während demKrieg, haben in den Kleinstädten die rein regionalen Kulturen absterben lassen. Während die ältere Generation durchwegs zweisprachig ist, sprechen viele junge Erwach- sene, die in den grossen Zentren aufgewachsen sind, die Muttersprache ihrer Eltern nicht mehr. Deutlich ist das in den Kirchen wahrnehmbar: Viele Gottes- dienste werden in zwei Sprachen gehalten. Durch das Verschwinden dieser ein- heimischen Sprachen gehen auch die entsprechenden kulturellenWerte verlo- ren. Die Regierung bemüht sich nun, die verschiedenen nationalen Sprachen Mit der Öffnung, die der Friede brachte, haben sich die verschiedenen Kirchen im ganzen Land ausgebreitet. Einige sind sogar international geworden. In Angola sind 84 Kirchen und religiöse Gemeinschaften im Justizministerium re- gistriert und von der Regierung anerkannt. Daneben gibt es über 800 weitere, jedoch nicht-registrierte Kirchen, die aber ebenfalls aktiv sind. Die extreme Armut, in welcher verschiedene Teile der Bevölkerung leben, die Zwangsumsiedlungen, dort wo die Regierung Infrastrukturprojekte realisie- ren will, und andere Arten von Ungerechtigkeiten, die man im Alltag antrifft, verlangen von der Kirche eine Stellungnahme. Sie ist herausgefordert, als pro- phetische Stimme im Land zu wirken und ihren Auftrag im aktuellen Kontext wahrzunehmen. Es muss ihr ein Anliegen sein, dass „Gnade und Wahrheit sich begegnen und sich Gerechtigkeit und Friede küssen“ , wie es in Psalm 85,11 heisst. Im politischen Bereich gibt es in Angola noch vieles aus der Vergangenheit, das die meisten aus Furcht nicht angehen möchten. Dies zeigt, dass der Bau einer stabilen Nation noch Risse hat. In der Konsolidierung des Friedens müsste die Kirche, vor allen anderen Organisationen, den Prozess der Versöhnung stärken. Hat doch der Apostel Paulus in 2. Korinther 5,19 gesagt: „Ja, Gott war es, der in Christus die Welt mit sich versöhnt hat, indem er den Menschen ihre Verfehlungen nicht anrechnete und uns das Wort von der Versöhnung (zur Verkündigung) anver- traute.“ Oder wie John Kenneth Galbraith es formulierte: „Alle grossen Leitungspersonen hatten eine Eigenschaft gemein: Die Bereitschaft, der Grundangst der Menschen ihrer Zeit entschlossen entgegenzutreten. Das, und nicht viel anderes, ist die Essenz der Leiterschaft.“ Die Kirche muss, um ihre prophetische Rolle ernst zu nehmen, diese Art der Leiterschaft suchen. „Dann wird dein Licht hervorbrechen wie die Morgenröte und deine Wunden wer- den schnell vernarben. Deine Gerechtigkeit geht dir voran, die Herrlichkeit des Herrn folgt dir nach.“ (Jesaja 58,8) und ihre Kulturen wieder zu fördern. Die Kirchen sind gefordert

Faustino Paulo MANDAVELA ist der Geschäftsführer der SOLE Angola

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