03-2015 D

Es kostet einen Preis! Neben viel Freude hat uns Guinea in den letzten Jahren aber auch Kopfzerbrechen bereitet. Nach wie vor lässt beispielsweise die Infrastruktur zu wünschen übrig und selbst die Verbindungsstrassen zwischen den Präfektur-Hauptstädten sind oft in schlechterem Zustand als alles, was in der Schweiz nur von Landwirtschaftsfahr- zeugen befahren werden darf. Dies hat teilweise Durchschnittsgeschwindigkeiten von 25 bis 30 km/h zur Folge, was Distanzen von 180 km zu mühsamen Tagesreisen werden lässt. Auch politisch ist Guinea instabil. Bei den letzten Wahlen wurde ein Malinké Präsi- dent, womit die Peul, die grösste Volksgruppe Guineas, einmal mehr den Eindruck hatten, übergangen zu werden. Da der aktuelle Präsident viele seiner Versprechen nicht einhalten konnte, hat sich die Zufriedenheit nicht gesteigert und wir sind ge- spannt, was bei den Wahlen, die grundsätzlich auf Oktober 2015 geplant sind, ge- schehen wird. Auch sonst gab es da und dort massive Spannungen zwischen den unterschiedlichen Volksgruppen und politischen Lagern. Eine der grössten Herausforderungen der letzten Jahre war zweifellos die Ebola- Epidemie, die uns 2014 und bis zur Abfassung dieses Artikels im Atem hielt, zumal das Zentrum der Epidemie längere Zeit in Macenta war. Hier wurde einmal mehr deutlich, wie leicht eine vom Animismus geprägte Bevölkerung mit tiefer Schul- bildung Lügen und Gerüchten Glauben schenkt. So sind viele an Ebola gestorben, weil man die Krankheit einfach nicht ernst genug nahm oder nicht wusste, wie man sich vor diesem tödlichen Virus schützen kann. Umgekehrt erlebten wir auch, dass auf unsere Leute gehört wurde, weil man sie kennt und sie Vertrauen geniessen. Ein Imam sagte nach einer Schulung zum Thema Ebola einem unserer Ärzte: „Jetzt haben wir verstanden und jetzt glauben wir. („On écoute la personne, pas le mes- sage.“) Das heisst, wichtiger als was gesagt wird, ist die Glaubwürdigkeit der Person, die etwas sagt. Im Herbst 2014 hatten die meisten Ausländer das Land verlassen. Die Versiche- rungen und auch das DEZA meldeten uns, dass sie keine Garantie mehr für die Rückschaffung von Mitarbeitenden übernehmen können. Wir bangten um unsere Mitarbeitenden. Im November – beim Höhepunkt der Epidemie – besuchten die Personalleiterin und ich (es hatte sehr viele freie Plätze im Flieger) alle Teams in Gui- nea. Wir waren beeindruckt, dass alle vor Ort bleiben wollten und viele uns konkret dankten, dass sie bleiben durften. Wir konnten uns überzeugen, wie weise sie mit der Situation umgingen und wie das Vertrauen in Gott eine Gelassenheit bewirkte, sodass auch wir nach diesen Wochen in Guinea viel entspannter waren. Hätten wir unsere Leute abgezogen, wäre wohl auch unser guineisches medizinisches Perso- nal zu Hause geblieben und die Therapien von Lepra-, Aids-, und Tuberkulose-Kran- ken hätten nicht weitergeführt werden können. Wir sind dankbar für das Vertrauen, welches uns im Allgemeinen die Angehörigen der Mitarbeitenden auch in dieser heiklen Phase entgegenbrachten. Und unsere einheimischen Kollegen haben es sehr geschätzt und waren teilweise auch erstaunt, dass unsere Mitarbeitenden ge- blieben sind. Es war ein starkes Zeichen der Hoffnung und der Verbundenheit! Was ist unsere Vision für Guinea? Wir möchten sehen, dass sich dieses Land in jeder Beziehung entwickelt, Guineer und Guineerinnen Frieden mit Gott und zueinander finden, Verantwortung über- nehmen, sich engagieren und nicht mehr das Auswandern in den Westen das höchste Ziel ist! Wir arbeiten auch darauf hin, dass Christen mit einer positiven Grundhaltung und Respekt auf Muslime zugehen, ohne dabei ihre eigene Identität zu verleugnen. Wir werden weiter in Schul- und Berufsbildung investieren, in ganzheitliche theo- logische und missiologische Ausbildung (inkl. Erlernen von Handwerk) und in Aus- bildung und Begleitung von Guineerinnen und Guineern in medizinischen, land- wirtschaftlichen und kirchlichen Bereichen. Dabei sind und bleiben Kinder und Jugendliche, die rund 50% der Bevölkerung ausmachen, ein besonderes Anliegen. Guinea – ein schönes und fruchtbares Land mit freundlichen Menschen und noch sehr viel ungenutztem Potenzial. Es lohnt sich, hier zu investieren und Zeuge zu werden, wie Gott trotz vielen Schwierigkeiten am Wirken ist! Wir suchen dringend strategisch denkende Trainer/Ausbildner für Capacity Building in verschiedenen Bereichen – damit das vom Schöpfer in die guineischen Menschen hineingelegte Potenzial zur Entfaltung kommt.

Jürg PFISTER: Leiter der SAM, Länderverantwortlicher Guinea

Made with FlippingBook Online newsletter