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Virtuelle Workcamps – Chancen und Herausforderungen digitaler und hybrider Formate gemeinnütziger Freiwilligenarbeit Janina Hansmeier, Christoph Meder, Lukas Wurtinger | IBG – Internationale Begegnung in Gemeinschaftsdiensten e. V.

Internationale Workcamps setzen seit über 100 Jahren Zeichen für internationale Solidarität und gegen nationale Abschottung. Dieses Format zeichnet sich durch die Kombination von vier besonde- ren Elementen aus: der heterogenen internationalen Gruppe, dem gemeinsamen meist manuellen Engagement in einem sinnvollen Projekt, dem von- und miteinander Lernen aller Beteiligten und der Einbindung in den gastgebenden Projektort. Spätestens mit Beginn der Pandemie im Frühjahr 2020 standen Workcamp-Organisationen weltweit vor der Frage, ob sich dieses Format auch in den digitalen Raum übertragen lässt. In diesem Beitrag reflektieren wir die unterschiedlichen Erfahrun - gen und Ansätze und versuchen Herausforderungen, Potentiale und Perspektiven aufzuzeigen.

Gerade das Frühjahr und der Sommer 2020 waren eine Art Wild-West-Phase digitaler Projekte: Alles schien mög- lich, alles wurde ausprobiert, viele wollten dabei sein. Die oft komplett ehrenamtlich konzipierten und tech- nisch improvisierten Angebote reichten vom Home-Gar- dening-Projekt über gemeinsames Kochen per Video- konferenz bis hin zu Workshops in Gebärdensprache oder Sprachaustausch-Gruppen. Alle Projekte waren vollständig international – also nicht bi- oder trilateral – konzipiert. Das Interesse junger Menschen weltweit war ausgesprochen hoch: Allein in den Workcamp-Netzwer- ken ALLIANCE of European Voluntary Service Organi- sations und CCIVS nahmen zwischen Mai und Juli 2020 insgesamt 1.138 junge Menschen aus 72 Ländern an 86 unterschiedlichen virtuellen Projekten teil. 94% von ih- nen gaben nach dem Projekt an, sie würden nach dieser Erfahrung gerne auch an einem internationalen Work- camp in Präsenz teilnehmen. Virtuelle Projekte schienen nicht nur einen Ersatz für ausfallende Präsenz-Camps zu bieten, sondern darüber hinaus einen niederschwelligen Zugang zu einer ers- ten Erfahrung in der Welt der internationalen Frei- willigenarbeit . Barrieren wie hohe Reisekosten oder Visabeschränkungen fallen in virtuellen Projekten kom- plett weg; die Teilnahme ist aus der eigenen vertrauten Umgebung heraus möglich. Nach den anfänglichen ho- hen Zahlen von Projekten und daran interessierten jun- gen Menschen stellte sich gegen Ende 2020 allerdings auf allen Seiten eine merkliche Online-Müdigkeit ein. Von September 2020 an hatte IBG die Chance, im Rah- men der über Erasmus+ geförderten strategischen Part- nerschaft „ProPaD – Progress on the Path of Digitalisati- on“ Erfahrungen und Ideen zur weiteren Digitalisierung

von Angeboten an junge Menschen mit den Partneror- ganisationen Egyesek (Ungarn), INEX-SDA (Tschechien), Lunaria (Italien) und Compagnons Bâtisseurs (Belgien) auszutauschen. Durch diese strategische Partnerschaft konnten digitale Alternativen und Ergänzungen in allen Bereichen des Angebotsspektrums ein dauerhaftes The- ma in den beteiligten Organisationen bleiben und ge- meinsam weiterentwickelt werden. Begegnungs- und seminarartige Projekte stellten 2020 mit Abstand den Großteil der von Workcamp-Organisa- tionen angebotenen virtuellen Projekte dar. Dies wur- de intern vielfach kritisiert, da diese Ansätze nicht allen Zielen der Organisationen gerecht werden. Es fehlten Aspekte, die für internationale Workcamps wesentlich sind und das Projekt erst über den kleinen Kreis der Teil- nehmenden hinaus wirken lassen: ein eindeutiger Vo- lunteering-Aspekt und die Einbindung der internationa- len Teilnehmenden in eine lokale Gemeinschaft. In den meisten Workcamp-Organisationen begann daher ein Umdenken und es wurde vor allem mit volunteeringar- tigen Projekten experimentiert – mit unterschiedlichem Erfolg und deutlich zurückgehender Quantität.

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