Chancen und Herausforderungen virtueller Workcamps
Perspektiven und Potentiale virtueller Workcamps
Wie auch in Workcamps, die in Präsenz stattfinden, sind der Austausch untereinander und das Kennenlernen in der interkulturellen Gruppe oft besonders interessant für die Teilnehmenden. Hier bietet das virtuelle Format teils Vorteile gegenüber Projekten, die alle Freiwilligen am selben Ort versammeln: In virtuellen Camps können die Teilnehmenden ihr alltägliches Leben zu Hause un- mittelbar mit der Gruppe teilen. Ein Einblick in das eige- ne Zuhause, das Mitnehmen an einzelne Orte der Umge- bung oder auch das Zubereiten einer typischen Mahlzeit in der eigenen Küche – bei virtuellen Treffen kann die räumliche Distanz so direkt zum kulturellen Austausch genutzt werden. Die Balance zwischen inhaltlichen und pädagogischen Zielsetzungen der jeweiligen Organisation auf der einen und Interessen und Vorstellungen der Teilnehmenden auf der anderen Seite können in virtuellen Projekten jedoch eine große Herausforderung darstellen: Im Ver- gleich zu Workcamps in Präsenz fällt insbesondere das Element der Selbstorganisation eines Camp-Alltags bei virtuellen Camps weg. An Stelle von gemeinsamem Ko- chen, Putzen und der Planung von Freizeitaktivitäten müssen in virtuellen Camps andere Möglichkeiten gefun- den werden, um den Teilnehmenden Mitverantwortung für das Projekt zu übergeben und die Teilnahme parti- zipativ zu gestalten. Die Einbindung in die gemeinsame Zielsetzung für das Projekt, beispielsweise in einem vir- tuellen Vortreffen, kann hier ein wertvoller Schritt zur Stärkung der Selbstwirksamkeit sein. Eine besondere Herausforderung stellt auch die Verbind- lichkeit dar. In Präsenzprojekten gibt es wenig Ablen- kung durch Alternativen und die Teilnehmenden müs- sen sich auch durch Phasen durchbeißen, die weniger Spaß machen, oder sich persönlichen Konflikten mit an- deren stellen. Bei virtuellen Projekten ist das Ausloggen aus der Videokonferenz oder das Wegbleiben dagegen eine extrem einfache Handlungsalternative. Dabei bie- ten gerade diese Phasen oft besondere Potentiale der eigenen persönlichen Entwicklung. Reibungsflächen und Konfliktbewältigung sind essentiell für Lernerfahrungen.
Den Aspekt gemeinnütziger Arbeit in einen virtuellen Kontext zu übertragen, ist möglich. In allen drei vor- gestellten Projekten erarbeiteten die Teilnehmenden gemeinsam konkrete digitale Produkte. Die virtuellen Workcamps gingen so über einen reinen Austausch- und Begegnungsaspekt hinaus. Gerade für die Erstellung di- gitaler Produkte wie virtueller Ausstellungen, Flyer oder Textsammlungen bietet das Format Vorteile, da asyn- chrones Arbeiten sehr sinnvoll eingesetzt werden kann. Je partizipativer die gemeinsame Arbeit am End- ergebnis gestaltet werden kann, desto höher sind sowohl Selbstwirksamkeit als auch Motivation und verbindliche Teilnahme der Jugendlichen. Eine Einbindung in eine lokale Gemeinschaft gestaltet sich in virtuellen Camps als größte Herausforderung. Während es wie auch bei Workcamps in Präsenz hilf- reich sein kann, bei der inhaltlichen Anleitung lokale Kooperationspartner*innen in die Umsetzung des Pro- jekts zu integrieren, scheint der informelle Austausch mit Jugendlichen vor Ort und das Kennenlernen einer lokalen Gemeinde in virtuellen Projekten kaum bis gar nicht möglich. Hier zeigen sich die Grenzen der Über- tragbarkeit von Konzepten am deutlichsten. Virtuelle Camps können ein barrierearmer Zugang zu internationaler Freiwilligenarbeit sein, durch den neue Zielgruppen angesprochen werden. Jugendliche können hier erste Erfahrungen mit inter- nationalem Austausch machen, ohne ihr vertrautes Umfeld verlassen zu müssen. Digitaler Austausch kann Begegnung in Präsenz zwar nicht ersetzen, er kann das Angebot Internationaler Jugendarbeit aber sehr sinnvoll ergänzen und neue Zugangsmöglichkeiten für Jugendli- che schaffen. Trotzdem werden rein digitale Workcamps eine untergeordnete Rolle spielen. Zweifellos sollten und werden aber auch in die Prä- senz-Projekte in den kommenden Jahren zunehmend digitale Elemente flankierend eingebunden werden.
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