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Auf Reisen
4. 2022
Als Mareike Konrad für ihren zweiwöchigen Familien- urlaub auf Sri Lanka packt, kommt bewusst nur die nötigste Kameraausrüstung in den Koffer. Wer beruflich fotografiert, will wenigstens im Urlaub mal den Finger vom Auslöser lassen – so gut es eben geht. Doch schon bei der Ankunft fallen der Leipzigerin die vielen Stra- ßenhunde auf der Insel ins Auge. Und als sie einer ganz besonderen Hündin immer wieder begegnet, entschei- det sich die Fotografin, die Kamera doch in die Hand zu nehmen. So entsteht ihre Fotoserie „Dogs Lost in Para- dise“. Die Bilder brechen mit Stereotypen von Streunern und zeigen, mit welch westlichem Blick die meisten von uns durch die Welt laufen. Frau Konrad, wo haben Sie die Hündin, die Sie zu der Fotoserie inspiriert hat, zum ersten Mal gesehen? Am ersten Abend am Strand. Sie saß dort allein und blickte aufs Meer. Die Szene hatte etwas Magisches und ich wollte diesen Moment festhalten. Als ich auf sie zu- ging, drehte sie sich um und ging. Nicht ängstlich, son- dern ruhig und entschlossen. Einige Tage später traf ich sie erneut am Strand. Sie hatte sich im Schatten einer Palme eingegraben. Es dauerte ewig, bis ich für ein gu- tes Porträt nah genug an sie herangerobbt war. Sie ließ mich keine Sekunde aus den Augen, erschien neugierig und respektvoll – obwohl ihr Körper von Narben ge- zeichnet war und sie vermutlich schon einiges erlebt hat. Ich wollte herausfinden, wie das zusammenpasst.
Die Hunde auf Ihren Fotos leben alle auf der Straße. Dennoch zeigen die Aufnahmen nicht das typische Bild, das man von Straßenhunden im Kopf hat: abgemagert, vernach- lässigt, krank. Wie kommt das? Das war auch für mich neu. Die Hunde, die ich kennen- lernte, waren frei und wild, wirkten aber keinesfalls unglücklich oder mitleiderregend. Ich hatte das Gefühl, dass sie ihr Leben in vollen Zügen genossen. Sie waren würdevoll und stolz, strotzten vor Selbstbewusstsein. Für ein solches Projekt braucht man vor allem Geduld und muss die Tiere genau beobachten, bevor man sich ihnen nähert. Was haben Sie dabei über die Hunde gelernt? Statt Bücher zu lesen, habe ich stundenlang Hunde be- trachtet. Am Strand, in der Stadt, während der Auto- fahrt, vom Balkon aus, während eines Spaziergangs ... So habe ich mehr über Hundekommunikation gelernt als in den zehn Jahren zuvor. Besonders die Art, wie sie inner- halb des Rudels agieren, kannte ich nur aus Wolf- oder anderen Tierdokus. Nach und nach verstand ich, wel- chen Rang sie im Rudel haben, wie sie auf Menschen re- A
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