81
Rasseporträt
4. 2022
Englischen Garten. Da können sie sich jeden Tag austo- ben und Stunden stöbern, rennen, schnuppern und die Umgebung erkunden“, erzählt der Züchter. Und ihr Schwimmtalent beweisen. Gleich nebenan locken die Isar und der Eisbach, eine Ableitung des Flusses. Mees- sens Terrier lieben das Wasser. Lange Wanderungen ste- hen bei ihnen ebenfalls hoch im Kurs. Unerschrocken, wie sie nun mal sind, erkunden die Schützlinge selbst unbekanntes Terrain ohne Zaudern. Das dürfen sie auch, denn: „Ich kann sie immer und überall abrufen. Sie kom- men sofort“, betont Philipp Meessen. Das allerdings war harte Erziehungsarbeit, denn der Parson Russell ist kein „Will-to-please-Hund“. Er will nicht jedermann gefallen, sondern am ehesten noch sich selbst. Meessen hat mit seinen inzwischen erwach- senen Stammhunden eine Hundeschule besucht. Er empfiehlt dies auch den neuen Familien seiner Welpen und allen, die mit diesem hochbeinigen Terrier glücklich werden wollen. Parsons brauchen klare Ansagen. Bei zu harter Erziehung bocken sie, bei zu weicher tricksen sie die Menschen aus. Konsequente Überzeugungsarbeit in den ersten Monaten und Jahren dagegen zahlt sich aus. Denn das Leben als Familien-, vor allem als Stadthund fordert den Tieren viel Disziplin ab. Klug genug dafür sind sie allemal, doch der Eigenwille kommt ihnen manchmal in die Quere. Da sind die Meessen-Hunde keine Ausnahme: „Bei meiner Mia und Brave kann ich sicher sein, dass sie sich automatisch vor jeder Straßen- überquerung hinsetzen und warten“, erzählt der Züch- ter. „Bei Nemo muss ich, obwohl er schon zwölf ist, ab und zu Nachhilfe erteilen.“ Ein Parson-Russell-Halter sollte nicht nur sport- lich sein und lange Touren lieben, sondern auch eine ordentliche Portion Konsequenz zeigen. Außerdem braucht er Humor, um über die Marotten seines Vierbei- ners lachen zu können. Und über sich selbst, wenn es der Partner am anderen Ende der Leine mal wieder wis- sen will. Dann gilt es, genauso ein harter Hund zu sein, wie der Parson es von Natur aus ist. Ein „Kommst du jetzt oder nicht“ stößt bei diesem willensstarken Hund auch einmal auf taube Ohren. Es sei denn, das Alterna- tivangebot des Menschen ist noch attraktiver als die Jagd auf ein Kaninchen. Klar weiß der Parson in kürzes- ter Zeit, was „Sitz“ und „Platz“ bedeuten. Aber er testet ganz gern aus, wie ernst solche Signale gemeint sind. Ein perfekt und immer sofort reagierender Vierbeiner wird er ohne lebenslanges Lernen sonst nie werden, ein Musterschüler jedoch, wenn am Ende einer Übung der
Ball lockt oder ein anderes spannendes Spielchen. Dann zeigt er sich von seiner Gameboy-Seite. Er jagt, springt, fliegt und flitzt. Vorsicht: Viele Parson Russell Terrier mutieren zu Ball-Junkies, die beim Spielen total auf- und schließlich überdrehen. Ein wilder Fangspaß zwischen- durch ist okay, doch auch in einer Russell-Welt muss es noch andere Abenteuer geben, die sein Terrierblut in Wallung bringen. Auf der Hundewiese vielleicht? Nicht unbedingt. Der Parson will nicht Everybody’s Darling sein und gefallen lässt er sich schon mal gar nichts. Meistens aber geht er auf jedes Spiel ein, ist aber auch offen für mögliche Schandtaten. Ein großer Hund in kleinem Körper! Am Gartenzaun vielleicht, wo es Spaß macht, jeden Passanten zu melden und Artgenossen zu beschimpfen. Oder im Blumenbeet, dessen lockere Erde dazu verführt, mindestens ein tiefes Loch zu buddeln. Als Erdhund (Terrier kommt nicht von Terror, sondern von Terra) liegt Buddeln sozusagen in seinen Genen. Dann gilt es ihm klarzumachen, dass Löcher im Garten unerwünscht sind und Kläffen unter der Terrierwürde ist. Es kann dauern, bis ihm all das einleuchtet, aber es ist möglich. Mit einem abwechslungsreichen Alltag zum Beispiel, der dem Menschen ein bisschen Fantasie und Einfallsreichtum abverlangt, das Energiebündel aber tief befriedigt. Ist der Parson also ein Dauerbrenner, besessen von Action und Abenteuern? Philipp Meessen schüttelt den Kopf: „Wenn draußen Gruselwetter mit Nieselregen ist, liegen wir auch mal einen Tag lang faul auf der Couch. Chillen kann der Parson nämlich prima. Und Regen ist nicht wirklich sein Ding.“ Er geht mit, die Rute hochgestellt, den Kopf stolz erhoben – seine „Da muss ich durch“-Körperhaltung. Doch wenn schon Was- ser, dann hat er es lieber von unten. Oder er tauscht das Nass vom Himmel gleich gegen eine Kuschelstunde im Trockenen ein. Ja, der Parson kann auch schmusen, mit entrücktem Gesicht Streicheleinheiten entgegennehmen und stundenlanges Nichtstun genießen. Aber nur, wenn er sich vor seiner Auszeit ausreichend bewegt hat und sich die Wartezeit aufs nächste Abenteuer mit einem Kauknochen oder süßen Träumen vertreibt. Alleine bleiben dagegen mag er gar nicht. Das ist Stress pur für ihn, sorgt er sich doch fürsorglich um sein menschli- ches Rudel. Philipp Meessen nimmt seine Hunde des- halb immer und überall mit. In den Biergarten, ins Res- taurant – und selbstverständlich auch in den Urlaub. „Nemo, Mia und Brave, alles Vielflieger. Als Leichtge- wichte bis zu acht Kilo dürfen die Hunde mit in die Ka- bine, wenn wir verreisen. Und wir verreisen viel. Die
Made with FlippingBook flipbook maker